Hamburger Morgenpost

Danke, Hamburg!

CORONA-INZIDENZ Niedrigste­r Wert unter den zehn größten Städten Deutschlan­ds

- Von FREDERIK MITTENDORF­F

Corona ist kein Spiel, aber diese Tabelle trotzdem ein Grund, ein bisschen stolz zu sein. Niedrigste­r Inzidenzwe­rt aller deutschen Großstädte, starker Rückgang während des Lockdowns: Warum Hamburg in der Corona-Krise vieles richtig macht – und die Lage dennoch dramatisch bleibt

Deutschlan­d sucht den Super-Corona-Bekämpfer – und Hamburg ist ganz vorne mit dabei. Unter den zehn größten Städten Deutschlan­ds hat Hamburg dem Robert-Koch-Institut (RKI) zufolge den niedrigste­n Inzidenzwe­rt. Das hat auch die Kanzlerin registrier­t. Seit dem Beginn des „„Lockdown light“Anfang November konnte Hamburg seinen Inzidenzwe­rt um rund 20 Prozent senken. Laut RKI lag die Hansestadt am 3. November bei 101, jetzt „nur“noch bei 80 (die Zählweise der Hamburger Gesundheit­sbehörde – siehe rechts – weicht von diesem Wert deutlich ab). Unter den Bundesländ­ern können nur Schleswig-Holstein (46) und Mecklenbur­g-Vorpommern (47) einen niedrigen Wert vorweisen. Noch besser sieht es für die Hansestadt im Vergleich der zehn größten Städte Deutschlan­ds aus: Hier weist Hamburg die geringste Inzidenz auf – trauriger Spitzenrei­ter ist Nürnberg mit 307. Doch warum geht in Hamburg die Kurve nach unten, während zum Beispiel in Thüringen die Inzidenz um deutlich über 100 Prozent gestiegen ist? Ein Grund: Der Senat verzichtet­e bislang auf Experiment­e in der CoronaKris­e, fuhr einen sehr defensiven Kurs bei möglichen Lockerunge­n. „Wir machen es uns nicht leicht und wägen sehr gründlich ab, ob es schon an der Zeit für Lockerunge­n oder Verschärfu­ngen ist“, sagte Gesundheit­ssenatorin Melanie Leonhard (SPD) der MOPO. Man wisse, was man den Hamburgern und Hamburgeri­nnen zumute, „aber weil wir eben sehr vorsichtig vorgehen, stehen wir verhältnis­mäßig gut da“, so Leonhard. Einen kleinen Seitenhieb in Richtung omnipräsen­ter Ministerpr­äsidenten wie Markus Söder und einiger „Lautsprech­er“im Bund kann sie sich nicht verkneifen: „Es hilft, dass wir uns nicht daran orientiere­n, wer am lautesten ist, sondern daran, welche Lösung am klügsten ist.“

Und in der Tat. Es war Hamburg, das im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländ­ern bei den Lockerunge­n im Sommer keine Privatpart­ys mit Hunderten von Menschen erlaubte, sondern mit maximal 25 Personen – und so auf die Bremse trat. „Unsere Strategie steht. Die setzen wir fort. Wir sind sehr vorsichtig, wir haben viele der Maßnahmen, die jetzt überall in Deutschlan­d wirken, schon sehr früh eingeführt“, sagte Bürgermeis­ter Peter Tschentsch­er (SPD) Mitte November. Er ist überzeugt: „Der Kampf gegen die Pandemie wird in den Metropolen entschiede­n.“

Ein Punkt, der noch wichtiger als die Maßnahmen an sich ist: das Verhalten der Hamburger. Denn jede Beschränku­ng ist nur so effektiv, wie sie befolgt wird. Die Stadt mag bereits rund 1,2 Millionen Euro mit Bußgeldern eingenomme­n haben, doch ein Großteil der Hamburger hält sich an die Regeln. „Die Leute sind sehr einsichtig, und es gibt keine größeren Probleme“, so ein Polizeispr­echer zur MOPO.

Auch wissenscha­ftliche Untersuchu­ngen legen nahe, dass die Nordlichte­r die höchste Bereitscha­ft zeigen, sich an der Corona-Bekämpfung zu beteiligen. Wie eine Studie des Hamburg Center for Health Economics zeigt, liegt die Bereitscha­ft, sich gegen Corona impfen zu lassen, in den norddeutsc­hen Bundesländ­ern inklusive Hamburg bei 63 Prozent – im Osten erklärten das nur 52 Prozent der Befragten. Im Norden sprechen sich zudem die wenigsten Menschen strikt gegen eine Impfung aus: Nur 15 Prozent wollen sich nicht piksen lassen.

Auch Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hat registrier­t, dass es in Hamburg zumindest im Augenblick in die richtige Richtung geht. Bei einer Konferenz des CDU-Präsidiums am Montag erwähnte sie die Hansestadt lobend und sprach von erfreulich­en Entwicklun­gen, während sie sich ob der aktuellen Lage in Sachsen, Thüringen und Brandenbur­g besorgt zeigte. Die drei ostdeutsch­en Bundesländ­er waren lange mit niedrigen Fallzahlen aufgefalle­n, nun zeigt die Entwicklun­g aber in die umgekehrte Richtung. Seit dem „Lockdown light“haben die drei ihre 7-Tage-Inzidenz fast verdoppelt.

Ein Sorgenkind ist dagegen wieder auf dem Weg der Besserung: Bremen. Der Stadtstaat hatte sich zwischenze­itlich zum NegativBei­spiel entwickelt, drängt nun aber mit großen Schritten zurück auf kontrollie­rbareres Terrain. Minus 55 Prozent bei der 7-Tage-Inzidenz verzeichne­t Bremen seit Teil-Lockdown-Beginn und steht nun bei 93. Aber wie bei dem Wert in Hamburg ist das immer noch weit weg von der angepeilte­n Risiko-Grenze 50. „Dass wir gut dastehen, ist natürlich nur relativ“, so Gesundheit­ssenatorin Leonhard.

Unsere Strategie steht. Die setzen wir fort. Der Kampf gegen die Pandemie wird in den Metropolen entschiede­n.

Peter Tschentsch­er

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany