Danke, Hamburg!
CORONA-INZIDENZ Niedrigster Wert unter den zehn größten Städten Deutschlands
Corona ist kein Spiel, aber diese Tabelle trotzdem ein Grund, ein bisschen stolz zu sein. Niedrigster Inzidenzwert aller deutschen Großstädte, starker Rückgang während des Lockdowns: Warum Hamburg in der Corona-Krise vieles richtig macht – und die Lage dennoch dramatisch bleibt
Deutschland sucht den Super-Corona-Bekämpfer – und Hamburg ist ganz vorne mit dabei. Unter den zehn größten Städten Deutschlands hat Hamburg dem Robert-Koch-Institut (RKI) zufolge den niedrigsten Inzidenzwert. Das hat auch die Kanzlerin registriert. Seit dem Beginn des „„Lockdown light“Anfang November konnte Hamburg seinen Inzidenzwert um rund 20 Prozent senken. Laut RKI lag die Hansestadt am 3. November bei 101, jetzt „nur“noch bei 80 (die Zählweise der Hamburger Gesundheitsbehörde – siehe rechts – weicht von diesem Wert deutlich ab). Unter den Bundesländern können nur Schleswig-Holstein (46) und Mecklenburg-Vorpommern (47) einen niedrigen Wert vorweisen. Noch besser sieht es für die Hansestadt im Vergleich der zehn größten Städte Deutschlands aus: Hier weist Hamburg die geringste Inzidenz auf – trauriger Spitzenreiter ist Nürnberg mit 307. Doch warum geht in Hamburg die Kurve nach unten, während zum Beispiel in Thüringen die Inzidenz um deutlich über 100 Prozent gestiegen ist? Ein Grund: Der Senat verzichtete bislang auf Experimente in der CoronaKrise, fuhr einen sehr defensiven Kurs bei möglichen Lockerungen. „Wir machen es uns nicht leicht und wägen sehr gründlich ab, ob es schon an der Zeit für Lockerungen oder Verschärfungen ist“, sagte Gesundheitssenatorin Melanie Leonhard (SPD) der MOPO. Man wisse, was man den Hamburgern und Hamburgerinnen zumute, „aber weil wir eben sehr vorsichtig vorgehen, stehen wir verhältnismäßig gut da“, so Leonhard. Einen kleinen Seitenhieb in Richtung omnipräsenter Ministerpräsidenten wie Markus Söder und einiger „Lautsprecher“im Bund kann sie sich nicht verkneifen: „Es hilft, dass wir uns nicht daran orientieren, wer am lautesten ist, sondern daran, welche Lösung am klügsten ist.“
Und in der Tat. Es war Hamburg, das im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern bei den Lockerungen im Sommer keine Privatpartys mit Hunderten von Menschen erlaubte, sondern mit maximal 25 Personen – und so auf die Bremse trat. „Unsere Strategie steht. Die setzen wir fort. Wir sind sehr vorsichtig, wir haben viele der Maßnahmen, die jetzt überall in Deutschland wirken, schon sehr früh eingeführt“, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) Mitte November. Er ist überzeugt: „Der Kampf gegen die Pandemie wird in den Metropolen entschieden.“
Ein Punkt, der noch wichtiger als die Maßnahmen an sich ist: das Verhalten der Hamburger. Denn jede Beschränkung ist nur so effektiv, wie sie befolgt wird. Die Stadt mag bereits rund 1,2 Millionen Euro mit Bußgeldern eingenommen haben, doch ein Großteil der Hamburger hält sich an die Regeln. „Die Leute sind sehr einsichtig, und es gibt keine größeren Probleme“, so ein Polizeisprecher zur MOPO.
Auch wissenschaftliche Untersuchungen legen nahe, dass die Nordlichter die höchste Bereitschaft zeigen, sich an der Corona-Bekämpfung zu beteiligen. Wie eine Studie des Hamburg Center for Health Economics zeigt, liegt die Bereitschaft, sich gegen Corona impfen zu lassen, in den norddeutschen Bundesländern inklusive Hamburg bei 63 Prozent – im Osten erklärten das nur 52 Prozent der Befragten. Im Norden sprechen sich zudem die wenigsten Menschen strikt gegen eine Impfung aus: Nur 15 Prozent wollen sich nicht piksen lassen.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat registriert, dass es in Hamburg zumindest im Augenblick in die richtige Richtung geht. Bei einer Konferenz des CDU-Präsidiums am Montag erwähnte sie die Hansestadt lobend und sprach von erfreulichen Entwicklungen, während sie sich ob der aktuellen Lage in Sachsen, Thüringen und Brandenburg besorgt zeigte. Die drei ostdeutschen Bundesländer waren lange mit niedrigen Fallzahlen aufgefallen, nun zeigt die Entwicklung aber in die umgekehrte Richtung. Seit dem „Lockdown light“haben die drei ihre 7-Tage-Inzidenz fast verdoppelt.
Ein Sorgenkind ist dagegen wieder auf dem Weg der Besserung: Bremen. Der Stadtstaat hatte sich zwischenzeitlich zum NegativBeispiel entwickelt, drängt nun aber mit großen Schritten zurück auf kontrollierbareres Terrain. Minus 55 Prozent bei der 7-Tage-Inzidenz verzeichnet Bremen seit Teil-Lockdown-Beginn und steht nun bei 93. Aber wie bei dem Wert in Hamburg ist das immer noch weit weg von der angepeilten Risiko-Grenze 50. „Dass wir gut dastehen, ist natürlich nur relativ“, so Gesundheitssenatorin Leonhard.
Unsere Strategie steht. Die setzen wir fort. Der Kampf gegen die Pandemie wird in den Metropolen entschieden.
Peter Tschentscher