Hamburger Morgenpost

In den heiligen Hallen des Rechts SPEKTAKULÄ­RES GERICHTSGE­BÄUDE

Im „Tempel“am Sievekingp­latz:

- THOMAS HIRSCHBIEG­EL thomas.hirschbieg­el@mopo.de

Die Kuppelhall­e ist fast 30 Meter hoch, und wer hier nach oben blickt, der wähnt sich in einem Dom oder gar dem Schloss eines Königs. Doch tatsächlic­h befinden wir uns im Hanseatisc­hen Oberlandes­gericht (OLG) am Sievekingp­latz. Aber was genau treiben die 83 Richter hinter der einschücht­ernden Säulen-Fassade?

Ja, einschücht­ernd wirken sollte das Bauwerk sehr wohl. Schließlic­h wurde Hamburgs oberstes Gericht 1912 fertiggest­ellt, also zur Kaiserzeit – und das war eine Zeit des Gehorsams und der Furcht vor der Obrigkeit.

Und die Umsetzung ist architekto­nisch vollkommen gelungen. Obwohl das Strafjusti­zgebäude rechts und das Ziviljusti­zgebäude links viel größer sind als das OLG in der Mitte, ist es doch das Letztere, das dominieren­d wirkt.

Überaus einschücht­ernd wirkt auch die Justitia über dem riesigen Portal. Die Dame ist mehr als drei Meter

hoch und stützt sich mit der linken Hand aufs Schwert. Arthur Bock schuf die Statue, die übrigens keine Augenbinde trägt. In Hamburg wollte die Justiz eben genau hinschauen und dann urteilen.

Schön einschücht­ernd sind auch die beiden Sphinxe, die Justitia flankieren. Diese mystischen Wesen sollen der griechisch­en Sage nach Wanderern an schwer passierbar­en Wegen aufgelauer­t haben. Dann legten sie diesen schwierige Rätselfrag­en vor. Wer richtig antwortete, der durfte weitergehe­n.

Aber wer die Lösung nicht fand, der wurde von den Sphinxen zerrissen oder in den Abgrund gestürzt.

Übersetzt auf die Justiz bedeutet das: Bist du schuldig? Dann wirst du hart bestraft. Bist du unschuldig, verlässt du den Gerichtssa­al als freier Mann.

Ganze vier Säle im Vergleich zu Dutzenden in den anderen Gerichtsge­bäuden nebenan gibt es im OLG. Und hier gibt es noch eine Besonderhe­it: In den Sälen in den Ecken des Gebäudes müssen Anwälte an Stehpulten arbeiten. Und es gibt wenige Zuschauerp­lätze. Das liegt daran, dass hier vor allem Berufungsv­erfahren in Zivilsache­n stattfinde­n.

Als wir in Saal 224 vorbeischa­uten, stand auf der Gerichtsro­lle ein Termin, bei dem ein Pharma-Konzern den anderen verklagt hat. Vermutlich ging es um die Markenrech­te an einem Medikament. Dauernd Streit gibt es auch darüber, wer bei Kapitalanl­agen für Verluste haftet. Oder die zerstritte­ne Familie Hagenbeck zerrt sich gegenseiti­g vor Gericht und ist mit den ersten Instanzen nicht einverstan­den.

Die 15 Zivilsenat­e verhandeln 2100 Verfahren dieser Art jedes Jahr, darunter auch schlichte Familiensa­chen. Dazu kommen fünf Strafsenat­e, die es jährlich aber nur auf 220 Revisionen bringen. Ein Beispiel: Wenn ein Amtsrichte­r ein Urteil auf Basis eines Gutachtens fällt, das ein Anwalt anzweifelt, dann landet der Fall in nächster Instanz vor dem OLG.

Wenn Ihnen übrigens das Innere des Oberlandes­gerichts irgendwie bekannt vorkommt, liegt das vermutlich am Fernsehen. Hier wird nämlich regelmäßig gedreht.

 ??  ??
 ??  ?? Blick in die Eingangsha­lle mit Kuppel. Als Vorbild dienten die römischen Caracalla-Thermen.
Blick in die Eingangsha­lle mit Kuppel. Als Vorbild dienten die römischen Caracalla-Thermen.
 ??  ??
 ??  ?? Im Plenarsaal befindet sich ein Kamin (r.), der noch nie genutzt worden ist.
Im Plenarsaal befindet sich ein Kamin (r.), der noch nie genutzt worden ist.
 ??  ?? Blick auf die Kuppel Halle der im Eingang des Oberlandes­gerichts
Blick auf die Kuppel Halle der im Eingang des Oberlandes­gerichts
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany