Hamburger Morgenpost

Kauft bei uns und nicht im Netz!

Vielen droht wegen Corona das Aus.

- MARINA HÖFKER marina.hoefker@mopo.de

Wenn man endlose Stunden in der Tristesse einer verwaisten Innenstadt verbringt, geht das aufs Gemüt.

Der zweite Lockdown trifft den schon arg gebeutelte­n Einzelhand­el stärker als befürchtet. Händler sorgen sich um ihre Existenz, aber bleiben dabei nicht untätig: Sie kämpfen mit kreativen Ideen gegen die Umstände an und setzen auf die Vorteile des stationäre­n Handels. Allein schaffen sie das aber nicht – auch die Politik ist gefordert.

Es ist doch so einfach: Zu Hause auf der Couch nach einem gewünschte­n Produkt surfen, auswählen, bezahlen, und oft schon am nächsten Tag wird die Ware geliefert. In Zeiten des Lockdowns boomt das Online-Shopping wie nie.

Doch während das Geschäft von Großhändle­rn wie Amazon floriert, müssen kleine Traditions­unternehme­n um jeden Kunden kämpfen. So wie in Hamburg der Spielzeugl­aden Lienau am Eppendorfe­r Baum. Der lebt vor allem von seiner Stammkunds­chaft. „Darauf sind wir angewiesen“, sagt die heutige Inhaberin Christine Lienau zur MOPO. „Der Online-Handel macht so viel kaputt und drückt die Preise – es ist aussichtsl­os, mitzuhalte­n. Da kann ich den Laden eigentlich gleich zumachen“, sagt die 48-Jährige.

Daher setzt der Familienbe­trieb auf Kundenkont­akt und Beratung. Auch während des zweiten Lockdowns unterstütz­en deshalb viele weiterhin das Geschäft, statt bei Großhändle­rn online zu kaufen. „Außerdem suchen Eltern gerade jetzt Beschäftig­ungen für ihre Kinder, auch viele Gesellscha­ftsspiele und Puzzles werden gekauft“, so Lienau.

Martin Meister von „Meister Camera“in der Großen Theaterstr­aße ist Einzelhänd­ler in der vierten Generation. Sein Sohn lernt derzeit im Familienbe­trieb, der 1888 als Drogerie gegründet wurde und erst später eine Fotoabteil­ung bekam, ehe diese 2002 ausgeglied­ert wurde. Das heutige Konzept: Hochwertig­es Fotoequipm­ent, konkurrenz­fähige Preise und fachkundig­e Beratung. Auch ein OnlineShop und Sammlerstü­cke sorgen für hohe Kundenbind­ung, sagt Meister gegenüber der MOPO.

Fritz Ahrens betreibt seine Leder-Maßschneid­erei „Pyrate Style“an der Großen Bleichen bereits seit 1984. Trotz Öffnung des Geschäfts habe sich der Umsatz halbiert. Der Kundenrück­gang sei auch psychisch belastend. „Wenn man endlose Stunden in der Tristesse einer verwaisten Innenstadt verbringt, geht das aufs Gemüt“, so Ahrens zur MOPO. Zwar biete er einen OnlineShop mit fertigen Artikeln und Kundenbesu­che in Ladennähe, doch das würde den Kundenschw­und vor Ort nicht auffangen.

Aus der Not heraus hatte eine Hamburgeri­n eine Idee, um den Einzelhand­el zu unterstütz­en. Mirjam Müller initiierte im April die Plattform wir-liefern.org. Dort können sich Händler aus Deutschlan­d, die ein Lieferange­bot haben, kostenlos eintragen. Mit der „virtuellen Fußgängerz­one“will Müller lokale Geschäfte unterstütz­en, sich gegen die Online-Riesen durchzuset­zen. Für die Initiatori­n ist klar, wo der Trend hingeht. „In der Krise zeigt sich, dass die meisten Leute bestellen – und dass sie nach dem Lockdown in den stationäre­n Handel zurückkomm­en, wage ich zu bezweifeln“, sagt Müller zur MOPO.

Im Lockdown stehe der Einzelhand­el vor weiteren Problemen. „Die gemütliche Bummel-Stimmung fehlt total: Mit Maske und Warteschla­ngen ist das ja ein ganz anderes Einkaufser­lebnis.“Daher sei der Einzelhand­el mittelfris­tig gut beraten, auch online präsent zu sein, so Müller.

Erste Auswirkung­en zeigen sich dazu in den vielen geänderten Öffnungsze­iten der Geschäfte in Innenstadt­lage, einige haben während des Lockdowns sogar gleich komplett ihre Pforten geschlosse­n. In Hamburgs City sind knapp 18 Prozent der Läden zu. Das ergab eine Analyse des Unternehme­ns „Sendinblue“von über 4000 Geschäften in beliebten Einkaufsst­raßen der 20 größten Städte in Deutschlan­d

Um die Geschäfte zu retten, hat der Wirtschaft­srat der CDU einen Acht-Punkte-Plan vorgeschla­gen. Dieser beinhaltet unter anderem eine Ausweitung der Novemberhi­lfen sowie die langfristi­ge Schaffung fairer Wettbewerb­sbedingung­en. Dr. Henneke Lütgerath, Landesvors­itzender des Wirtschaft­srates Hamburg, ist besorgt: „Wenn wir jetzt nichts tun, werden viele vor allem mittelstän­dische Händler die Corona-Pandemie nicht überleben.“

Fritz Ahrens

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Martin Meister von „Meister Camera“in der Großen Theaterstr­aße ist Einzelhänd­ler in der vierten Generation.
Christine Lienau (48) ist Inhaberin des Spielzeugl­adens Lienau am Eppendorfe­r Baum.
Fritz Ahrens vom „Pyrate Style“malt für die Zukunft des Einzelhand­els ein düsters Bild. Martin Meister von „Meister Camera“in der Großen Theaterstr­aße ist Einzelhänd­ler in der vierten Generation. Christine Lienau (48) ist Inhaberin des Spielzeugl­adens Lienau am Eppendorfe­r Baum.
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Mirjam Müller initiierte „wir-liefern.org“, um lokale Händler zu unterstütz­en.
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