Kauft bei uns und nicht im Netz!
Vielen droht wegen Corona das Aus.
Wenn man endlose Stunden in der Tristesse einer verwaisten Innenstadt verbringt, geht das aufs Gemüt.
Der zweite Lockdown trifft den schon arg gebeutelten Einzelhandel stärker als befürchtet. Händler sorgen sich um ihre Existenz, aber bleiben dabei nicht untätig: Sie kämpfen mit kreativen Ideen gegen die Umstände an und setzen auf die Vorteile des stationären Handels. Allein schaffen sie das aber nicht – auch die Politik ist gefordert.
Es ist doch so einfach: Zu Hause auf der Couch nach einem gewünschten Produkt surfen, auswählen, bezahlen, und oft schon am nächsten Tag wird die Ware geliefert. In Zeiten des Lockdowns boomt das Online-Shopping wie nie.
Doch während das Geschäft von Großhändlern wie Amazon floriert, müssen kleine Traditionsunternehmen um jeden Kunden kämpfen. So wie in Hamburg der Spielzeugladen Lienau am Eppendorfer Baum. Der lebt vor allem von seiner Stammkundschaft. „Darauf sind wir angewiesen“, sagt die heutige Inhaberin Christine Lienau zur MOPO. „Der Online-Handel macht so viel kaputt und drückt die Preise – es ist aussichtslos, mitzuhalten. Da kann ich den Laden eigentlich gleich zumachen“, sagt die 48-Jährige.
Daher setzt der Familienbetrieb auf Kundenkontakt und Beratung. Auch während des zweiten Lockdowns unterstützen deshalb viele weiterhin das Geschäft, statt bei Großhändlern online zu kaufen. „Außerdem suchen Eltern gerade jetzt Beschäftigungen für ihre Kinder, auch viele Gesellschaftsspiele und Puzzles werden gekauft“, so Lienau.
Martin Meister von „Meister Camera“in der Großen Theaterstraße ist Einzelhändler in der vierten Generation. Sein Sohn lernt derzeit im Familienbetrieb, der 1888 als Drogerie gegründet wurde und erst später eine Fotoabteilung bekam, ehe diese 2002 ausgegliedert wurde. Das heutige Konzept: Hochwertiges Fotoequipment, konkurrenzfähige Preise und fachkundige Beratung. Auch ein OnlineShop und Sammlerstücke sorgen für hohe Kundenbindung, sagt Meister gegenüber der MOPO.
Fritz Ahrens betreibt seine Leder-Maßschneiderei „Pyrate Style“an der Großen Bleichen bereits seit 1984. Trotz Öffnung des Geschäfts habe sich der Umsatz halbiert. Der Kundenrückgang sei auch psychisch belastend. „Wenn man endlose Stunden in der Tristesse einer verwaisten Innenstadt verbringt, geht das aufs Gemüt“, so Ahrens zur MOPO. Zwar biete er einen OnlineShop mit fertigen Artikeln und Kundenbesuche in Ladennähe, doch das würde den Kundenschwund vor Ort nicht auffangen.
Aus der Not heraus hatte eine Hamburgerin eine Idee, um den Einzelhandel zu unterstützen. Mirjam Müller initiierte im April die Plattform wir-liefern.org. Dort können sich Händler aus Deutschland, die ein Lieferangebot haben, kostenlos eintragen. Mit der „virtuellen Fußgängerzone“will Müller lokale Geschäfte unterstützen, sich gegen die Online-Riesen durchzusetzen. Für die Initiatorin ist klar, wo der Trend hingeht. „In der Krise zeigt sich, dass die meisten Leute bestellen – und dass sie nach dem Lockdown in den stationären Handel zurückkommen, wage ich zu bezweifeln“, sagt Müller zur MOPO.
Im Lockdown stehe der Einzelhandel vor weiteren Problemen. „Die gemütliche Bummel-Stimmung fehlt total: Mit Maske und Warteschlangen ist das ja ein ganz anderes Einkaufserlebnis.“Daher sei der Einzelhandel mittelfristig gut beraten, auch online präsent zu sein, so Müller.
Erste Auswirkungen zeigen sich dazu in den vielen geänderten Öffnungszeiten der Geschäfte in Innenstadtlage, einige haben während des Lockdowns sogar gleich komplett ihre Pforten geschlossen. In Hamburgs City sind knapp 18 Prozent der Läden zu. Das ergab eine Analyse des Unternehmens „Sendinblue“von über 4000 Geschäften in beliebten Einkaufsstraßen der 20 größten Städte in Deutschland
Um die Geschäfte zu retten, hat der Wirtschaftsrat der CDU einen Acht-Punkte-Plan vorgeschlagen. Dieser beinhaltet unter anderem eine Ausweitung der Novemberhilfen sowie die langfristige Schaffung fairer Wettbewerbsbedingungen. Dr. Henneke Lütgerath, Landesvorsitzender des Wirtschaftsrates Hamburg, ist besorgt: „Wenn wir jetzt nichts tun, werden viele vor allem mittelständische Händler die Corona-Pandemie nicht überleben.“
Fritz Ahrens