Hamburger Morgenpost

Die Falschen angeklagt

- MATHIS NEUBURGER mathis.neuburger@mopo.de

Mitgegange­n, mitgefange­n, mitgehange­n: So wie man früher Piraten verurteilt hat, stellt die Hamburger Staatsanwa­ltschaft heute G20-Gegner vor Gericht. Dabei hat sie nichts in der Hand gegen die damals 16, 17 Jahre alten Jugendlich­en. Offensicht­lich ist: Hier wird ein Exempel statuiert. Ja, es flogen an diesem frühen Morgen in Bahrenfeld tatsächlic­h 14 Steine in Richtung der Polizei, alle landeten mit Abstand vor den Füßen der Beamten. Die nutzten das, um den Demozug von zwei Seiten in die Zange zu nehmen. Wasserwerf­er von hinten, fliegende Fäuste von vorn. Die Bilanz: Knochenbrü­che, mehrere Schwerverl­etzte, diverse Berichte über unangemess­ene Polizeigew­alt. Aufseiten der Polizei: kein Kratzer. Dennoch: Angeklagt sind Protestler, denen nicht mal vorgeworfe­n wird, überhaupt selbst Angriffe begangen oder geplant zu haben. Ihre bloße Anwesenhei­t vor Ort reicht. Begründung: Erst das gemeinsame Auftreten mit einheitlic­hem Erscheinun­gsbild habe den einzelnen Gewalttäte­rn das Gefühl von Sicherheit und Stärke vermittelt und ihnen Deckung verschafft. Ach ja? Das könnte man auch über die Polizei vor Ort sagen – und müsste dann die gesamte Berliner Einheit vor Gericht stellen. Denn offensicht­lich ist, dass hier einige Beamte die Nerven verloren und Straftaten begangen haben. Aber ich vergaß: In Hamburg werden Polizisten nicht für G20-Einsätze vor Gericht gestellt – das hat Olaf Scholz ja direkt nach dem Gipfel klargemach­t. Selbst der Innensenat­or wunderte sich gegenüber der MOPO, warum die Staatsanwa­ltschaft die Beweise, die seine Leute gesammelt haben, nicht nutzt. Eines ist 3,5 Jahre nach dem Gipfel klar: Die politisch und in der Polizei Verantwort­lichen für das Desaster im Juli 2017 machen Karriere. Ein paar Teenager aber sollen büßen. Bleibt zu hoffen, dass das Gericht da nicht mitmacht.

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