Hamburger Morgenpost

„Bin dankbar hier zu leben“

Flughafeng­alerist über Einbußen in Corona-Zeiten und warum er trotzdem froh ist, nicht in seiner Heimat zu leben

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„Wie ist die Lage?“heißt der (fast) tägliche Podcast der Gute Leude Fabrik und der Hamburger Morgenpost. Darin spüren wir tagesaktue­llen Fragen nach – zu Wort kommen Macher, Musikerinn­en, Models, Mütter und Politiker, genau wie Helfer, Schwester, Schweißer, Freiberufl­er. Die Auswahl ist rein subjektiv, aber immer spannend und überrasche­nd. Heute macht dies das Bäderland Hamburg möglich. Die Gespräche finden über das Telefon statt. In der aktuellen Folge spricht PR-Profi Lars Meier mit Anaisio Guedes von der „Arte Gallery“im Flughafen Hamburg. Lars Meier: Herr Guedes, wir sprachen vor einigen Monaten bereits. Da waren Sie noch ganz munter. Wie ist die Lage jetzt? Anaisio Guedes: Sie hat sich nicht verändert, wenn überhaupt sogar positiv. Ich sehe jetzt wirklich Licht am Ende des Tunnels. Es besteht die Möglichkei­t, dass wir Anfang des Jahres Impfstoff haben, und alleine dadurch wird sich einiges verändern. Wie ist die Gesamtstim­mung am Flughafen? Wenn man es mit dem ersten Lockdown vergleicht, hat sich nicht viel verändert. Wir haben nur etwa zehn Prozent der Passagierz­ahlen, die wir davor hatten. Das Terminal 2, wo meine Galerie sich befindet, ist gerade geschlosse­n. In der Regel sehe ich hier pro Minute 400 bis 500 Leute, jetzt sehe ich pro Stunde vielleicht drei oder vier. Ich komme jeden Tag hier zum Flughafen und sitze in meiner Galerie, aber es ist sehr ruhig. Wäre es keine Überlegung wert, die Öffnungsze­iten einzuschrä­nken? Das haben wir schon gemacht. Normalerwe­ise öffnen wir von 10 bis 19 Uhr, haben das aber auf 11 bis 17 Uhr reduziert. Das sind immer noch sechs Stunden. Ich möchte aber die Gewohnheit haben und jeden Tag hier sein, damit man nicht denkt, ich hätte Urlaub. Ich möchte für meine Kunden hier sein und auch die Stimmung live miterleben. Wie viel Prozent Stammkunds­chaft haben Sie? Hören Sie von Ihren Stammkunde­n? Ich glaube, es gibt Branchen, die von der Corona-Krise profitiere­n, ich gehöre aber nicht dazu. Viele Leute haben jetzt andere Sorgen. Natürlich ist Kunst etwas, das viele gerade wertschätz­en. Ich habe schon einige Stammkunde­n, die aber nicht nur aus Hamburg kommen. Und weil sie nicht in Hamburg sind und nicht mehr fliegen, fallen diese Kunden natürlich größtentei­ls weg. Gibt es denn trotzdem Solidaritä­tsaktionen von vermögende­ren Kunden? Nein, so was gibt es nicht. Das habe ich noch nie erlebt und glaube, das wäre eher merkwürdig. Wir sprechen hier ja auch vom hochpreisi­gen Segment. Hier wird kein Mensch zwei Balkenhols kaufen, einen Vorschuss zahlen und die irgendwann abholen. Erklären Sie noch einmal Balkenhols, für die wenigen, die diesen wunderbare­n Künstler nicht kennen. Von Stephan Balkenhol sind beispielsw­eise die Giraffe vor Hagenbecks Tierpark und die Bojenmänne­r auf Alster und Elbe. Es läuft gerade ein großes Projekt für den Hamburger Flughafen. Und ich habe einige Bronzeskul­pturen von ihm in meiner Galerie. Er gilt als einer der wichtigste­n lebenden Bildhauer weltweit und ist einer meiner Lieblingsk­ünstler, weshalb ich einige Figuren vor Ort habe. Und ich kann ihn nur empfehlen, weil die Preise für einen Balkenhol permanent steigen und es immer schwierige­r wird, einen schönen Balkenhol zu bekommen. Ist er gerade auch nicht besonders produktiv oder woran liegt das? Die Nachfrage ist groß. Und er ist bereits 62. Ein Bildhauer arbeitet nicht wie ein Maler mit seinem Pinsel, bis er 90 Jahre alt ist. Das ist körperlich­e Arbeit und es ist begrenzt, was er vor sich hat. Ich schätze mal, es sind noch 20 Jahre. Dann gibt der Körper es nicht mehr her. Wie hoch sind die Einstiegsp­reise? Für die limitierte­n Bronzeskul­pturen zahlt man Preise von 20 000 Euro aufwärts. Sie sagen, Sie gehören nicht zu den Gewinnern. Gleichzeit­ig sind die Möbelhäuse­r voll, weil die Menschen sich für Inneneinri­chtung interessie­ren. Ein schönes Bild gehört aber doch wie ein Sofa dazu? Ich denke, Auktionshä­user, die mit Kunst handeln, sind große Gewinner. Bei einigen Auktionshä­usern läuft es besser als vor der Krise. Aber mein Standort, der früher ein Vorteil war, ist durch die Krise zum Nachteil geworden. Bei mir kaufen Geschäftsl­eute ein, die etwas entdecken, wenn sie fliegen. Es wird aber kaum geflogen und die Geschäftsl­eute kommen nicht extra hierher. Warum läuft es bei Auktionshä­usern besser? Man denkt da ja immer an Spekulante­n, die kaufen, um später teurer zu verkaufen. Ist man Ihnen mit der Miete entgegenge­kommen? Der Flughafen muss kämpfen, so wie ich. Natürlich ist man uns ein bisschen entgegenge­kommen. Das ist wirklich nicht viel, aber es hilft schon ein bisschen. Sie kämpfen halt selber mit einigen Problemen und das muss man berücksich­tigen.

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Der Brasiliane­r betreibt am Hamburger Flughafen die „Arte Gallery“.
Heute: Anaisio Guedes Der Brasiliane­r betreibt am Hamburger Flughafen die „Arte Gallery“.
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