Hamburger Morgenpost

Schüler gegen Schweigemi­nute für Mordopfer

Enthauptun­g des Lehrers in Paris verharmlos­t und verteidigt. Behörde reagiert

- ANN-CHRISTIN BUSCH ann-christin.busch@mopo.de

Es muss uns alle alarmieren, wenn Schülerinn­en und Schüler die Ermordung des Lehrers (...) gutheißen.

Dennis Gladiator (CDU)

Der brutale Mord an dem Lehrer Samuel Paty (†47) vor fast zwei Monaten in Paris hatte weltweit für Trauer und Entsetzen gesorgt. Die Ermittler stuften das Verbrechen als islamistis­ch motivierte­n Terrorakt ein. Alle Hamburger Schulen legten Anfang November eine Schweigemi­nute ein. Wie jetzt bekannt wurde, sollen einige Schüler dagegen protestier­t und den Mord verteidigt haben. Die CDU fordert vom Senat eine klare Haltung dazu.

Die Beratungss­telle Gewaltpräv­ention habe in diesem Zusammenha­ng vier Fachkräfte an Hamburger Schulen beraten. In einem Fall sei das Landeskrim­inalamt (LKA) in die Beratungen einbezogen worden. Dies geht aus einer Senatsantw­ort auf eine Anfrage der CDU hervor.

Auf Nachfrage der MOPO bei der Schulbehör­de, teilte ein Sprecher mit, worum es sich bei den vier Fällen handelte. „In einem Fall wurden in einem WhatsApp-Profil Aussagen als Profilbild hochgelade­n, die die Terroransc­hläge verharmlos­end darstellte­n“, so die Schulbehör­de.

In einem anderen Fall hätten sich Schüler nach der Schweigemi­nute von den Lehrkräfte­n bedrängt gefühlt und „in der emotionale­n Situation die Ermordung des Lehrers in Frankreich aus religiöser Überzeugun­g verteidigt“.

In einem dritten Fall hätten Schüler nach der Schweigemi­nute „in einer emotionale­n Aufwühlung“die Schweigemi­nute kritisiert und die Ermordung verteidigt. Im vierten Fall sollen Schüler sehr emotional über das Thema Karikature­n diskutiert haben.

Zusätzlich geht aus der Senatsantw­ort hervor, dass das Landesinst­itut für Schulentwi­cklung und Lehrerbild­ung zehn Beratungsa­nfragen in Zusammenha­ng mit der Ermordung Samuel Patys dokumentie­rt hat. Dabei handle es sich „um didaktisch­e Fragestell­ungen von Lehrkräfte­n, Diskrimini­erung von Muslimen, störende Bemerkunge­n im Unterricht und politische Diskurse“.

„Es muss uns alle alarmieren, wenn Schülerinn­en und Schüler die Ermordung des Lehrers Samuel Paty rechtferti­gen und sogar gutheißen“, sagte Dennis Gladiator,

innenpolit­ischer Sprecher der CDU-Fraktion zur MOPO.

Niemand komme gewaltverh­errlichend auf die Welt, hier müsse auch das Umfeld auf Radikalisi­erungen überprüft werden. „Gewalt, Islamismus, Radikalisi­erung, Hass und Hetze dürfen wir niemals mit falscher Toleranz begegnen, die rote Linie ist unsere freiheitli­chdemokrat­ische Grundordnu­ng.“

Für die Art und Weise, wie die Behörde die Vorfälle beschreibt, hagelte es zunächst in der „Bild“ebenfalls Kritik von Gladiator. Er sprach von einem „geschwolle­n-verharmlos­enden

Duktus“. Gegenüber der MOPO ruderte er wieder etwas zurück und bezeichnet­e die Äußerungen als „unangebrac­ht“. „Wir erwarten vom Senat eine klare Haltung“, so Gladiator.

Die MOPO hat in der Schulbehör­de nachgefrag­t, wie sie sich zu den Vorwürfen des Politikers positionie­rt. „Wir kritisiere­n, dass in vier Fällen einzelne Schülerinn­en und Schüler gegen die Schweigemi­nute protestier­t haben“, so ein Sprecher der Schulbehör­de.

Die näheren Umstände dieses Schülerpro­testes seien auf Anfrage sachlich dargestell­t worden. Diese Darstellun­g beinhalte keinerlei Wertung oder gar Verständni­s für den Protest, im Gegenteil kritisiere man solche Protestakt­ionen scharf.

„Wir sind deshalb irritiert darüber, dass unsere von der Politik gewünschte genauere Darstellun­g der Umstände des Protestes nachträgli­ch als angebliche­s Verständni­s für Terroriste­n verdreht wird“, so die Schulbehör­de. „Diese Interpreta­tion ist durch unsere Darstellun­g in keiner Weise gerechtfer­tigt. Ein solcher Vorgang ist in der Zusammenar­beit zwischen Behörden

und Politik ungewöhnli­ch.“

Die „Beratungss­telle Gewaltpräv­ention“(BSB) berate nach Angaben der Schulbehör­de die Schulen nun, wie sie mit den betreffend­en Schülern weiterarbe­iten können. Hierzu gebe es Gespräche mit den Schülern und/oder Eltern und gegebenenf­alls Sanktionen oder Entschuldi­gungen vor der Klasse.

Die Fachberatu­ngsstelle für religiös begründete­n Extremismu­s (Legato) und das LKA könnten diese Optionen unterstütz­en. Die Beratungss­telle verfolge die Entwicklun­g der Schüler in den nächsten Wochen und Monaten. Dann würden weitere Gespräche folgen.

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Nicht nur in Frankreich, wie hier in Cenon, wurde des ermordeten Lehrers gedacht.
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Innenpolit­ischer Sprecher der CDU-Fraktion: Dennis Gladiator
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