St. Pauli hat die A-Karte
DILEMMA Aufbruch, Aufbau, Anspruch, Ambition – und wieder ein Absturz
VERTEILUNG:
Das K-Wort mag beim FC St. Pauli nach wie vor niemand in den Mund nehmen, dabei geben es die Zahlen absolut her, von Krise zu sprechen. Nur ein Sieg aus zehn Spielen, acht Partien in Folge ohne Dreier, zuletzt vier Niederlagen in Serie, Abstiegsplatz 17. Die Kiezkicker stehen zur Adventszeit mal wieder im Tabellenkeller. Kennt man ja. Doch diesmal trifft die sportliche Talfahrt den Verein besonders hart. Ins Mark. Denn er richtet sich neu aus, will vieles anders, besser und dabei alles richtig machen, auch im sportlichen Bereich. Doch der Fußball spielt leider nicht mit.
Die Besorgnis erregende sportliche Negativserie erwischt den Kiezklub zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Gerade stellt der Verein Weichen, erklärt voller Überzeugung getroffene Entscheidungen, wirbt für neue Wege, stemmt riesengroße Projekte, will den Klub voranbringen und seine Mitglieder begeistern, mitnehmen, einbinden. Und dann das …
Wer begreifen will, wie tief Frust und Enttäuschung sitzen bei den handelnden Personen des FC St. Pauli, seinen Mitgliedern und Fans, der darf nicht nur auf die Tabelle blicken, sondern muss den Kontext betrachten, in dem der ungebremste Absturz, den die niederschmetternde Niederlage in Braunschweig beschleunigt hat, passiert. Es ist eine schwierige Gemengelage, ein riesengroßes Spannungsfeld, gekennzeichnet vom Buchstaben A.
St. Pauli befindet sich zwischen Aufbruchstimmung zu Saisonbeginn nach der mutigen Beförderung des U19Trainers Timo Schultz zum Chefcoach, dem Aufbau einer neuen Mannschaft, dem Anspruch, einen mitreißenden und mittelfristig erfolgreichen Fußball zu spielen, der gerade erst erneuerten grundsätzlichen Ambition, mal wieder in die Bundesliga aufzusteigen – und dann aber dem aktuellen sportlichen Absturz. Ein Gegensatz, der mit jeder Niederlage extremer wird.
„Es ist eine schwierige Phase, die wir durchlaufen“, sagt Sportchef Andreas Bornemann im Gespräch mit der MOPO. „Es ist natürlich frustrierend, wenn man etwas Neues aufbauen und entwickeln möchte, aber die Ergebnisse nicht kommen und man unter Druck gerät.“
Den totalen Ergebnisdruck hatte man unbedingt vermeiden wollen. Auf dem Weg, etwas Nachhaltiges zu entwickeln, ist er kontraproduktiv. Angesichts der brenzligen Lage geht es jetzt aber um Resultate, stellt Bornemann klar: „Wir wollen in den Spielen bis Weihnachten mitnehmen, was geht, um ein paar Tage durchschnaufen zu können.“
Reinen Ergebnisfußball wollte man nicht spielen, weil man diesen mittelfristig nicht als erfolgversprechend sieht. Jetzt ist St. Pauli dazu gezwungen. Der Zweck heiligt die Mittel. Bornemann sieht es wie Schultz, dass zu viele Spieler das Vertrauen