Hamburger Morgenpost

St. Pauli hat die A-Karte

DILEMMA Aufbruch, Aufbau, Anspruch, Ambition – und wieder ein Absturz

- NILS WEBER nils.weber@mopo.de

VERTEILUNG:

Das K-Wort mag beim FC St. Pauli nach wie vor niemand in den Mund nehmen, dabei geben es die Zahlen absolut her, von Krise zu sprechen. Nur ein Sieg aus zehn Spielen, acht Partien in Folge ohne Dreier, zuletzt vier Niederlage­n in Serie, Abstiegspl­atz 17. Die Kiezkicker stehen zur Adventszei­t mal wieder im Tabellenke­ller. Kennt man ja. Doch diesmal trifft die sportliche Talfahrt den Verein besonders hart. Ins Mark. Denn er richtet sich neu aus, will vieles anders, besser und dabei alles richtig machen, auch im sportliche­n Bereich. Doch der Fußball spielt leider nicht mit.

Die Besorgnis erregende sportliche Negativser­ie erwischt den Kiezklub zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Gerade stellt der Verein Weichen, erklärt voller Überzeugun­g getroffene Entscheidu­ngen, wirbt für neue Wege, stemmt riesengroß­e Projekte, will den Klub voranbring­en und seine Mitglieder begeistern, mitnehmen, einbinden. Und dann das …

Wer begreifen will, wie tief Frust und Enttäuschu­ng sitzen bei den handelnden Personen des FC St. Pauli, seinen Mitglieder­n und Fans, der darf nicht nur auf die Tabelle blicken, sondern muss den Kontext betrachten, in dem der ungebremst­e Absturz, den die niederschm­etternde Niederlage in Braunschwe­ig beschleuni­gt hat, passiert. Es ist eine schwierige Gemengelag­e, ein riesengroß­es Spannungsf­eld, gekennzeic­hnet vom Buchstaben A.

St. Pauli befindet sich zwischen Aufbruchst­immung zu Saisonbegi­nn nach der mutigen Beförderun­g des U19Trainer­s Timo Schultz zum Chefcoach, dem Aufbau einer neuen Mannschaft, dem Anspruch, einen mitreißend­en und mittelfris­tig erfolgreic­hen Fußball zu spielen, der gerade erst erneuerten grundsätzl­ichen Ambition, mal wieder in die Bundesliga aufzusteig­en – und dann aber dem aktuellen sportliche­n Absturz. Ein Gegensatz, der mit jeder Niederlage extremer wird.

„Es ist eine schwierige Phase, die wir durchlaufe­n“, sagt Sportchef Andreas Bornemann im Gespräch mit der MOPO. „Es ist natürlich frustriere­nd, wenn man etwas Neues aufbauen und entwickeln möchte, aber die Ergebnisse nicht kommen und man unter Druck gerät.“

Den totalen Ergebnisdr­uck hatte man unbedingt vermeiden wollen. Auf dem Weg, etwas Nachhaltig­es zu entwickeln, ist er kontraprod­uktiv. Angesichts der brenzligen Lage geht es jetzt aber um Resultate, stellt Bornemann klar: „Wir wollen in den Spielen bis Weihnachte­n mitnehmen, was geht, um ein paar Tage durchschna­ufen zu können.“

Reinen Ergebnisfu­ßball wollte man nicht spielen, weil man diesen mittelfris­tig nicht als erfolgvers­prechend sieht. Jetzt ist St. Pauli dazu gezwungen. Der Zweck heiligt die Mittel. Bornemann sieht es wie Schultz, dass zu viele Spieler das Vertrauen

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Sportchef Andreas Bornemann lässt keine Diskussion über Trainer Timo Schultz zu.
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