Ende eines Mythos — Steinzeitfrauen gingen sehr wohl auf die Jagd
DAVIS – Wer ein reaktionäres Bild von Frauen und Männern rechtfertigt, bemüht gerne die Geschichte vom Jäger und der Sammlerin: Schon während der Steinzeit sei die Frau für Beeren und Kinder zuständig gewesen, der Mann für die Jagd. Doch nun fanden Archäologen heraus: Stimmt so nicht.
Unser bisheriges Bild des Zusammenlebens der Geschlechter in der Steinzeit: Während sich der Mann mit Speeren bewaffnet mutig auf die Jagd macht und allen Gefahren trotzt, sammelt die Frau Beeren und Kräuter und kümmert sich um Kinder und den Unterschlupf.
Dieses Rollenbild dürfte mehr mit der Vorstellung der männlichen Archäologen zu tun haben als mit der Wirklichkeit, so berichtet der
„Stern“. Das zeigt folgender Fall: Auf fast 4000 Metern Höhe in den Anden fand man neben etlichen Pfeilspitzen die 9000 Jahre alten Knochen eines Jägers – und glaubte sofort: das muss ein Mann sein! Dann fielen die kleinen und leichten Knochen auf, handelte es sich doch um eine Frau? Eine Zahnschmelz-Analyse bestätigte dies nun. Und: Offenbar war sie kein Einzelfall.
Die Forscher untersuchten weitere Knochen und Zähne, die sie in Jägergräbern entdeckten. In 26 Gräbern mit Jagdwaffen in Amerika fanden sie 16 Männer und zehn Frauen – fast eine paritätische Verteilung. „Diese Entdeckung hebt die lang gehegte Hypothese ,Mann der Jäger‘ auf“, so Randy Haas, Assistenzprofessor für Anthropologie und Autor der Studie „Female hunters of the early Americas“.
Jahrzehntelang wurde die Idee einer Arbeitsteilung dazu verwendet, Geschlechterstereotype zu verteidigen und „wissenschaftlich“zu untermauern. Der Mann jagt Frauen oder Geld hinterher, ist mutig, abenteuerlustig und risikobereit, während Frauen es heimelig mögen und gerne den sorgenden Part übernehmen. „Die sexuelle Aufteilung der Arbeit scheint in der Vergangenheit unter Jägern und Sammlern viel abgeschwächter oder gar nicht vorhanden gewesen zu sein“, so Haas.
Doch nicht nur das. Lange galt es als abwegig, dass bei den Wikingern auch Frauen zu den Kämpfern gehörten. Auch hier konnte die Überzeugung der Forscher erst durch eine Analyse des Erbgutes gebrochen werden.
Bisher existierten Frauen als Kriegerinnen für viele Forscher nur bei den Skythen, dem Reitvolk, das vermutlich als Vorbild für den Amazonen-Mythos herhielt. Die Idee der Amazone ist die Femme fatale zu Pferd: schön, verführerisch und absolut tödlich. Eine Gefahr für den Mann – auf vielen Ebenen. Die Skythengräber wurden im Gebiet der ehemaligen UdSSR gefunden. Möglich, dass man hier politisch aufgeschlossener für die Tatsache war, dass Frauen als Kriegerinnen lebten und kämpften.