Hamburger Morgenpost

Ist es dieser eine Abend wert?

CORONA Mit Oma und Opa feiern – oder besser nicht? +++ Immer mehr Fälle in Pflegeheim­en +++ Dramatisch­e Lage in den Kliniken +++

- Von SINA RIEBE

Der Lockdown läuft. Doch diesmal gibt es keine Maßnahmen für Alten- und Pflegeheim­e. Besuche an Weihnachte­n und das Abholen am Heiligaben­d sind erlaubt – und das, obwohl Heime zu den Corona-Hotspots zählen. Mit welchen Maßnahmen können die Bewohner gerade an Weihnachte­n jetzt geschützt werden?

Eine Kleine Anfrage des Bürgerscha­ftsabgeord­neten André Trepoll (CDU) zeigt das Ausmaß der Infektions­ketten in den Heimen im Bezirk Harburg. Bei zehn Ausbrüchen wurden 348 Menschen infiziert. Im Schnitt steckten sich somit 35 Menschen bei einem Infizierte­n an. Zum Vergleich:

In Privathaus­halten, der häufigsten Ansteckung­squelle, werden lediglich 2,8 weitere Menschen infiziert.

Insgesamt sind nach Angaben des Senats in 37 Hamburger Pflegeeinr­ichtungen derzeit 577 Bewohner und 232 Beschäftig­te infiziert (Stand: 15. Dezember).

Doch der erste Lockdown hat gezeigt, dass Besuchsver­bote viel Schaden anrichten. Sie bieten zwar einen erhöhten Schutz vor dem Virus, führen aber zu massiven psychische­n Belastunge­n bei Heimbewohn­ern und ihren Angehörige­n. In einem Antrag von SPD und Grünen für pandemiege­rechte Besuche heißt es etwa, dass es während der Besuchsver­bote zu Apathie, Suizidgeda­nken und Essens-Verweigeru­ng kam.

„Soziale Kontakte sind für unsere Bewohner enorm wichtig“, so ein Sprecher der Frank Wagner Holding, zu der auch das Alsterdomi­zil in Hamburg gehört, zur MOPO. Rund 50 Personen hatten sich dort im April mit dem Virus infiziert. Seit Mitte November gibt es dort nun ein Konzept, das wöchentlic­he Testungen von Mitarbeite­rn, Besuchern und Bewohnern vorsieht.

Diese Strategie ist ebenfalls Teil eines Antrags von SPD und Grünen, um die bundesweit­en Beschlüsse auch in Hamburg umzusetzen. Dabei geht es um das Testen der Mitarbeite­r, das Testen der Besucher bei hohen Inzidenzen und um das Verspreche­n, FFP2-Masken auszugeben. Rot-Grün fordert zudem eine Unterstütz­ung durch zusätzlich­es Personal.

An den Weihnachts­tagen will die Frank Wagner Holding das Testkonzep­t noch

einmal verschärfe­n. „Bei Bewohnern ab einer Abwesenhei­t von mehreren Stunden werden nach Rückkehr in die Einrichtun­gen zwei Schnelltes­ts durchgefüh­rt“, so der Sprecher weiter. Der erste erfolgt aufgrund der verzögerte­n Anzeige der Ansteckung nach drei Tagen, ein zweiter folgt nach sieben Tagen. Bis zum zweiten Test werden die Bewohner getrennt versorgt und betreut.

Eine solche Teststrate­gie hatte in Tübingen zunächst große Erfolg gebracht. Seit Mai hat es nach Aussagen des

Früherkenn­ung setzt auch die Hamburger Sozialbehö­rde. Durch die bessere Versorgung­ssituation mit Masken seien die Einrichtun­gen deutlich besser aufgestell­t als noch zu Beginn der Pandemie, so Sozialbehö­rden-Sprecher Martin Helfrich. In Bezug auf Weihnachte­n solle jeder „für sich abwägen, wie viele Kontakte wir für erforderli­ch halten“. Helfrich appelliert an das Verantwort­ungsbewuss­tsein der Hamburger.

„Es wäre schön, wenn die Besuche auf ein Minimum reduziert würden“, wünscht sich Katrin Kell, Fachbereic­hsleiterin Pflege und Senioren bei der Diakonie. Kell fürchtet die Zeit nach Weihnachte­n: „Ich weiß noch nicht, wie die Pflegekräf­te das schaffen sollen.“

Die Schnelltes­ts seien wichtig, aber zeitintens­iv. Isolierung­s-Maßnahmen und Masketrage­n wünschensw­ert, aber etwa mit dementen Patienten kaum umzusetzen. Kell appelliert: „Entzerren Sie, teilen Sie Besuche auf die Weihnachts­tage auf.“

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Weihnachte­n mit der ganzen Familie. Viele holen dann auch die Großeltern aus dem Pflegeheim.
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