Die Lage in den Krankenhäusern: Sie ist so angespannt wie nie
Arbeitsbelastung bis zum Anschlag, kaum noch Beatmungsplätze – die Situation in unseren Kliniken spitzt sich von Tag zu Tag zu
Speziell im Intensivbereich ist die Personalsituation bereits seit Jahren schwierig.
Asklepios-Sprecher Dr. Franz Jürgen Schell
Die Corona-Fallzahlen steigen in ganz Deutschland, Klinik-Personal klagt über Arbeit an und über der Belastungsgrenze, und einige Hamburger Kliniken haben keine freien Beatmungsplätze mehr. Ein Arzt aus Thüringen sprach gar von einer Triage-Situation. Kurz vor Weihnachten erscheint die Krankenhaus-Situation so angespannt wie noch nie während der Corona-Pandemie. Doch wie sieht es genau aus?
Es war eine Schreckensmeldung, die die Runde machte: In Zittau (Sachsen) sprach der Ärztliche Direktor des Klinikums Oberlausitzer Bergland, Dr. Matthias Mengel, in einem VideoForum davon, dass Ärzte bereits mehrfach hätten triagieren müssen. Heißt: Klinikpersonal muss darüber entscheiden, wer zuerst beatmet wird und wer nicht, weil die Kapazitäten ausgeschöpft sind. Die Klinik stellte nun jedoch klar: Ganz so weit ist es noch nicht. Die Intensivmedizin „stoße an die Grenzen des Leistbaren“, allerdings betonte die Einrichtung, dass alle Patienten, die in die beiden Krankenhäuser kommen, „die bestmögliche Therapie“erhielten.
Sollten die Corona-Stationen keine Patienten mehr aufnehmen können, würden die Erkrankten in die umliegenden Krankenhäuser geflogen. Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD), die mit explodierenden CoronaZahlen und einer landesweiten Inzidenz von über 400 zu kämpfen hat, sprach von einem „Weckruf“. Derzeit überlegen die handelnden Politiker rund um Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), ob gar einzelne Hotspots im Bundesland komplett abgeriegelt werden.
Auch aus Hessen gibt es tragische Meldungen: In Hanau sind es so viele Corona-Tote, dass die herkömmlichen Leichenaufbewahrungsorte überlastet sind – es kommt nun ein Kühlcontainer auf dem Hauptfriedhof zum Einsatz. Bislang werden zwei Tote dort aufgebahrt, der Container hat Platz für bis zu 25 Leichen.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zeigte sich besorgt aufgrund der aktuellen Corona-Entwicklung, versicherte aber auf Nachfrage: „Ja, es können alle Patientinnen und Patienten versorgt werden, aber eben unter größter Belastung und teilweise auch Überlastung in den einzelnen Kliniken.“
Die Zustände in den Kliniken sind jedoch teilweise besorgniserregend. Am Mittwoch ist die Hamburger Krankenhausbewegung (ein selbst organisierter Zusammenschluss von Beschäftigten in Hamburger Krankenhäusern) an die Öffentlichkeit getreten:Die Teilnehmer berichten von teils chaotischen Zuständen in den Kliniken – und fordern die Politik auf, Verantwortung zu übernehmen. Beschäftigte berichten anonym, dass aufgrund fehlenden Personals mittlerweile Betreuungsschlüssel nicht eingehalten werden könnten. „Speziell im Intensivbereich ist die Personalsituation bereits seit Jahren schwierig, weil der Arbeitsmarkt den Bedarf deutscher Kliniken nicht deckt“, sagt Asklepios-Sprecher Dr. Franz Jürgen Schell.
Laut der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) verfügt Hamburg aktuell über insgesamt 558 Intensivbetten für Erwachsene – 72 sind derzeit noch frei. 103 Betten sind von Corona-Patienten belegt, mehr als die Hälfte muss invasiv beatmet werden, was nicht in jedem Intensivbett möglich ist. Es gibt zusätzlich noch eine Notfallreserve von 328 Betten, die innerhalb von sieben Tagen aufgebaut werden könnten.
In einigen Kliniken in Hamburg ist die Kapazitätsgrenze nun aber erreicht. Die Schön-Klinik in Eilbek und das Evangelische Amalie-Sieveking-Krankenhaus können keine invasive Beatmung für neue Patienten mehr durchführen, sind komplett ausgelastet. Doch auch in den anderen Krankenhäusern werden die Plätze vor allem für die invasive Beatmung knapper. Die DIVI weist ein Ampelsystem aus, das die Auslastung der 24 Hamburger Krankenhäuser mit Intensivbetten anzeigt. Die Zahlen melden die Kliniken selbst an die Vereinigung. Die für viele Corona-Patienten wichtigen Intensivbetten mit invasiver Beatmung stehen in zehn Kliniken auf Gelb.
Laut der Ampel waren auch zwischenzeitlich bei der Asklepios Klinik in St. Georg und im Westklinikum die Kapazitätsgrenzen erreicht – dem widerspricht das Krankenhausunternehmen jedoch. „Keine unserer Intensivstationen ist bei der Rettungsstelle abgemeldet“, so Sprecher Dr. Franz Jürgen Schell. Die Lage sei aber deutschlandweit angespannt.
Ja, es können alle Patienten versorgt werden, aber eben unter größter Belastung. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU)
„Die Asklepios Kliniken Hamburg haben insgesamt eine hohe Auslastung, da mehr als die Hälfte der stationären Covid19-Patienten in unseren Krankenhäusern behandelt werden“, so Schell. Man gehe jedoch nicht davon aus, dass es in absehbarer Zeit zu Triage-Situationen komme. Hamburg sei auch vergleichsweise noch gut aufgestellt. Bei Engpässen könnten Patienten in andere Krankenhäuser gebracht werden, die derzeit noch weniger in die PandemieVersorgung eingebunden seien.
Im Universitätsklinikum Eppendorf ist die Lage noch am wenigsten angespannt – die DIVI-Ampel zeigt Grün. „Die Situation auf der Intensivstation ist noch beherrschbar“, so UKE-Sprecherin Stefanie Gerling. Allerdings: „Sollten die Infektionszahlen nicht wieder sinken, wird in den kommenden Wochen auch die Anzahl an Patientinnen und Patienten steigen, die auf einer Intensivstation versorgt werden müssen.“