Die Angst, dass dies das letzte Weihnachten mit Oma wird
An Weihnachten geht es um Zeit – Zeit mit der Familie, um in langen Gesprächen zu versinken, Musik zu hören oder in den neuen Büchern zu stöbern. Durch die Pandemie ist in diesem Jahr alles anders. Dabei sind nicht die Beschränkungen das Problem, sondern die Frage: Feiern wir Weihnachten mit Oma? Was sind die Risiken? Gibt es überhaupt eine perfekte Lösung? Ein Zwiespalt, aus dem es kaum ein Entkommen gibt. Weihnachten war schon immer die Zeit der Familie und gerade für meine Oma (90) ein Ankerpunkt im Jahr, alle Lieben beieinanderzuhaben. Dabei ging es immer weniger um Traditionen als um den Tumult in der sonst so stillen Wohnung. Sie liebte die Lautstärke, das Gewusel und die letzten Vorbereitungen für das Festmahl, bei dem wir schon als Kinder alle mithelfen durften – was bei sechs Enkeln ein ziemlicher Aufwand sein konnte.
Jetzt steht das erste Weihnachten nach ihrem Umzug in ein Pflegeheim an – und das mitten in einer Pandemie. Die coronakonformen Besuche haben wir verinnerlicht. Termine machen, möglichst draußen treffen, Abstand halten und Maske auf – es funktioniert. Auch wenn ich bei Spaziergängen immer wieder einen Schritt zur Seite machen muss, um den Abstand beizubehalten. Und das bei einer Frau, die nichts sehnlicher liebt, als ihre Enkel zu drücken oder nur ihre Hand zu halten. Wie soll das Abstandwahren dann an Weihnachten in unserem Wohnzimmer funktionieren?
Seit Tagen sprechen wir in der Familie über das Thema. Wir warten, welche Maßnahmen das Heim beschließt, wägen das Für und Wider ab. Die größte Angst: Was ist, wenn es das letzte Weihnachten mit Oma wird? Aber auch die Risiken drängen sich immer wieder in den Mittelpunkt der Gespräche. Es muss nur einer, trotz vorheriger Selbstisolation, infektiös sein, um nicht nur Oma anzustecken, sondern das Virus auch ins Heim zu tragen.
Alle Bewohner, die während der Feiertage zu ihren Familien geholt werden, stellen ein potenzielles Risiko dar. Nicht nur für die Bewohner, sondern auch für die Pflegekräfte. Es gibt viele Strategien von Schnelltests bis zu kleinen Isoliermaßnahmen und einer Maskenpflicht, was wiederum einen hohen Arbeitsaufwand der Pflegekräfte nach sich zieht. Ist es dieser eine Abend wert? Ich weiß es nicht. Eine Entscheidung ist noch nicht gefallen.