Hamburger Morgenpost

Was macht Rostock besser als Hamburg, Herr Madsen?

Die Hansestadt als „gallisches Dorf“in Europa mit einem Inzidenzwe­rt von 17,6

- STEPHANIE LAMPRECHT stephanie.lamprecht@mopo.de

Er ist Däne und damit der erste ausländisc­he Oberbürger­meister einer deutschen Großstadt – und er hat es geschafft, dass Rostock mitten in der Pandemie mit einem sensatione­ll niedrigen Inzidenzwe­rt von 16,7 glänzt. Was macht Claus Ruhe Madsen (48, parteilos) anders als andere Bürgermeis­ter?

Ein winziger gelber Fleck leuchtet auf der rot bis tiefroten Corona-Deutschlan­dkarte ganz oben. Das ist die Hansestadt Rostock, die einen in ganz Europa extrem niedrigen 7-Tage-Inzidenzwe­rt aufweist: Pro 100 000 Einwohner infizieren sich binnen sieben Tagen 17,6 Rostocker, während es in Sachsen Landkreise mit Inzidenzwe­rten von mehr als 500 gibt.

Die beiden anderen Landkreise mit solchen Top-Werten, Uelzen (32,79) und Nordfriesl­and (33,1), sind deutlich dünner besiedelt als die größte Stadt Mecklenbur­g-Vorpommern­s mit knapp 209 000 Einwohnern.

Der Blick auf die Landkarte mache ihn „schon ein bisschen stolz“, sagt Madsen im Gespräch mit der MOPO. Wenn die Rostocker ihn „OB-lix“, nennen, der sein kleines gallisches Dorf gegen das Virus verteidigt (nur acht Corona-Todesfälle bisher!), das macht ihm Spaß – auch wenn er das Unheil näherkomme­n sieht: „Man sieht die Welle mit jedem Tag stärker auf uns zurollen.“

Schon im Frühjahr hat der Oberbürger­meister, erst seit September 2019 im Amt, schnell reagiert – so schnell, dass es auch jede Menge Gegenwind gab: „Wir haben die Schulen geschlosse­n, als es gerade mal vier Infektione­n in Rostock gab, Rückkehrer aus dem Ski-Urlaub. Da musste ich mich mit der Bundes- und der Landespoli­tik streiten.“Madsen setzte sich durch, schickte auch gleich die meisten der 2400 Verwaltung­sangestell­ten ins Homeoffice, denn: „Solche Maßnahmen sind sinnvoll, bevor die Pandemie die Stadt erreicht.“

Auch ein Konzert von Johannes

Oerding wurde noch vor dem allgemeine­n Lockdown abgesagt: „Da wären Leute von überall her nach Rostock gekommen, da hätte ein Supersprea­der-Event werden können.“

Parallel stockte Madsen das Gesundheit­samt auf: „Ich habe etwa die Leute aus der Gewerbeauf­sicht zur Verstärkun­g geschickt. Und wenn die sagten, wir haben für die nichts zu tun, sagte ich: ,Dann bringt denen bei, was sie wissen müssen, wenn es so weit ist.‘“Weil genug Leute da waren, konnte das Gesundheit­samt auch Konzepte erarbeiten, die dazu führten, dass der Kinder- und Jugendspor­t in Rostock bis vor wenigen Tagen ohne Abstriche stattfinde­n konnte.

Dass „sein“Gesundheit­samt die Kontaktver­folgung aufgibt, weil die schiere Masse nicht mehr zu schaffen ist, das wollte der Oberbürger­meister keinesfall­s erleben: „Kontaktnac­hverfolgun­g ist die stärkste Waffe. Wer das schafft, gehört zum Team Gewinner.“

Madsen, Inhaber eines Möbelgesch­äftes, ist ein nahbarer Typ, der es schaffte, die Rostocker mitzunehme­n bei seinem strikten Kurs der

Kontaktver­meidung: „Ich habe gesagt: Wir spielen Bowling, das Blöde ist nur – wir sind die Kegel. Wir müssen möglichst viele Kegel aus dem Spiel nehmen, damit die Kugel einfach durchrollt.“

Er sagt – mit ganz leichtem dänischem Akzent – auch Dinge wie „Wir rasen mit 300 Stundenkil­ometern und gucken nur in den Rückspiege­l“, was man gerne als Kritik an der großen Lockdown-Politik verstehen darf: „Ich wünsche mir visionäres Denken, ich möchte nicht immer sieben Tage zurückguck­en, sondern frage mich, wie wir in sieben Wochen leben wollen.“

Natürlich steht der Impfplan für Rostock längst. In den Pflegeheim­en wurden Listen mit den Namen von impfwillig­en Bewohnern erstellt, die Wagen für die mobilen Impfteams sind gepackt, Fahrer stehen bereit – bloß nicht nur in den Rückspiege­l schauen.

Madsen, selbst Unternehme­r, ist kein Fan des Lockdowns, sagt ganz klar, dass man den Leuten nicht das Schuhekauf­en mit Maske

und den Restaurant­besuch mit Hygienereg­eln verbieten solle, sondern darauf drängen müsse, dass die Menschen auf die vielen ungeregelt­en Treffen in Privatwohn­ungen verzichten.

Dass seine Stadt nun trotz kaum vorhandene­n Infektions­geschehens wie der Rest des Landes alles runterfahr­en muss, das grämt den Oberbürger­meister trotzdem nicht: „Es gehört zur Solidaritä­t,

dass auch die mit den guten Werten mitziehen. Außerdem, wenn wir als Einzige alles offen lassen würden, dann wäre das ja wie ein Magnet.“

Dass Rostock einigermaß­en verschont bleibe, das sei sein größter Wunsch: „Wenn die Welle nicht zu uns rüberschwa­ppt, dann bin ich der glücklichs­te Oberbürger­meister der Welt.“

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Die Rostocker Altstadt ist ohnehin hübsch anzuschaue­n. Dank Bürgermeis­ter Madsen hat die Stadt auch kaum mit Corona zu kämpfen.
 ??  ?? Das Einkaufsze­ntrum Kröpeliner Tor Center vor dem Lockdown
Das Einkaufsze­ntrum Kröpeliner Tor Center vor dem Lockdown
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Claus Ruhe Madsen, Oberbürger­meister von Rostock
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