Katastrophe auf Lesbos
Überflutung, Rattenbisse, kaum Hygiene: Lage in Flüchtlingslagern ist verheerend
Mytilini – Für ein paar Tage gab es große Aufmerksamkeit: Das Flüchtlingslager Moria auf Lesbos brannte lichterloh – doch mit den Flammen verschwand auch rasch das Interesse der Öffentlichkeit. Innerhalb weniger Tage wurde ein neues Camp errichtet, doch für die Flüchtlinge bedeutete das keine Besserung. Im Gegenteil: Die Bedingungen sind schlimmer denn je.
Die Zelte der Menschen sind überflutet, ihre wenigen Habseligkeiten treiben in der schlammigen Brühe, die Schlafsäcke sind schmutzig und durchweicht. Verzweifelt versuchen die Bewohner, das Wasser aus ihren Zelten zu bekommen – trotz Kälte tragen viele dabei nur Schlappen an den Füßen.
Und damit nicht genug: In dem neuen Flüchtlingslager „Kara Tepe“am Stadtrand von Mytilini gibt es kaum sanitäre Anlagen mit fließendem Wasser: „Wir haben keine Betten. Es gibt keine Duschen, wir waschen uns mit Wasser aus dem Meer. Wenn wir auf Toilette müssen, gehen wir ins Gebüsch“, erzählt Francisco aus der Demokratischen Republik Kongo Reportern der „Tagesschau“. „Moria war die Hölle für uns, aber das hier ist schlimmer als die Hölle.“
Auch die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“berichtet Furchtbares: Kinder würden nachts, während sie schlafen, von Ratten gebissen. Wie mehrere Organisationen melden, sei das die häufigste Verletzung bei Kindern in dem Camp.
Auf Lesbos und Lagern in anderen griechischen Inseln leiden viele Migranten zudem unter psychischen Problemen. So heißt es in einem Bericht, den die Hilfsorganisation IRC gestern veröffentlichte, dass sich die Situation vor allem wegen der Corona-Pandemie und dem darauffolgenden Lockdown verschlimmert hat. Trotz verheerender Zustände zwang man die Menschen, in dem Lager zu bleiben.
Seitdem verzeichnete das IRC nach eigenen Angaben 71 Prozent mehr Migranten, die über psychotische Probleme klagten; die Zahl der Selbstverletzungen sei um 66 Prozent gestiegen. Das IRC beruft sich auf Daten, die Psychologen zwischen März 2018 und Oktober 2020 auf Lesbos, Samos und Chios erhoben haben.