Hamburger Morgenpost

Wie gefährlich ist diese Mutation?

CORONA Wie gefährlich ist die neue Variante des Virus und was bedeutet das für uns in Deutschlan­d?

- Von ANN-CHRISTIN BUSCH

Veränderte­s Coronaviru­s in Großbritan­nien „außer Kontrolle“+++ Premier Boris Johnson fährt soziales Leben komplett runter +++ Christian Drosten: Neue Variante bisher nicht in Deutschlan­d aufgetauch­t

Alarm in Großbritan­nien: Eine neuartige Mutation des Coronaviru­s ist auf der Insel ausgebroch­en. Die Variante sei nach bisherigen Erkenntnis­sen deutlich ansteckend­er. „Sie ist außer Kontrolle, und wir müssen sie wieder unter Kontrolle bekommen“, sagte Gesundheit­sminister Matt Hancock laut „tagesschau.de“dem Sender BBC. Das Land stehe vor einer enormen Herausford­erung. Was bedeutet die Mutation für uns? Hat sie sich auch hierzuland­e bereits ausgebreit­et? Die MOPO beantworte­t die wichtigste­n Fragen.

➤ Was ist in Großbritan­nien passiert?

In Südostengl­and ist eine neue Variante des Coronaviru­s entdeckt worden. Diese Mutation sei bis zu 70 Prozent ansteckend­er als das bisherige SARS-CoV-2, verkündete Großbritan­niens Premiermin­ister Boris Johnson. Die neue Variante des Virus trägt den Namen VUI2020/12/01. Viele Kliniken

in Südostengl­and sollen schon fast vollständi­g ausgelaste­t sein, vielerorts wurden nicht notwendige Operatione­n verschoben.

Ob die Mutation für die starke Verbreitun­g des Virus in Südengland verantwort­lich ist, ist noch nicht wissenscha­ftlich belegt. Es handelt sich lediglich um Ergebnisse aus ersten Analysen. Johnson betonte: „Es gibt immer noch vieles, das wir nicht wissen.“

➤ Was unternimmt das Land jetzt?

Die britische Regierung hat sich entschloss­en, auf Basis der ersten Erkenntnis­se sofort zu handeln. In weiten Teilen des Landes wird das soziale Leben komplett herunterge­fahren. In London gilt künftig die neue, höchste Corona-Warnstufe 4. Dort dürfen die Menschen nur noch aus wichtigen Gründen ihre Wohnung verlassen, etwa, um zum Arzt oder zur Arbeit zu gehen.

Alle nicht lebensnotw­endigen Geschäfte, Fitnessstu­dios, Friseure, Kinos oder Schönheits­salons müssen schließen. Bewohner der sogenannte­n Corona-Zone 4 dürfen diese Zone nicht verlassen. Auch in anderen Landesteil­en wurden die Regeln verschärft. In Wales mit mehr als 3,1 Millionen Einwohnern gilt ebenfalls ein harter Lockdown, Schottland hat Reisen in andere Regionen verboten. ➤ Wird das Coronaviru­s durch Mutationen gefährlich­er?

„Wir können uns darauf verlassen, dass das Virus mutiert. Das können wir jetzt schon beobachten“, sagte Virologe Christian Drosten schon im März im „Coronaviru­s Update“des NDR. Wenn sich Viren vermehren, verändern sie sich häufig. Mehr als tausende Mutationen des Coronaviru­s sind bisher bekannt.

Das Virus kann durch eine Mutation gefährlich­er oder auch harmloser werden. Beide Varianten sind möglich. Im gefährlich­en Fall kann es sich schneller ausbreiten, den Krankheits­verlauf verschlimm­ern oder die Wirksamkei­t von Impfstoffe­n verschlech­tern.

Eine ähnliche Mutation wie in Großbritan­nien wurde vor Kurzem auch in Südafrika entdeckt. Gesundheit­sminister Zweli Mkhize teilte mit, die neue Variante könnte für die rasche Ausbreitun­g der zweiten Corona-Welle im Land verantwort­lich sein. Auch hier muss noch weiter geforscht

➤ Wirken die bisher entwickelt­en Impfstoffe trotzdem?

Großbritan­niens Premiermin­ister betonte, es gebe weder Hinweise darauf, dass Impfstoffe weniger effektiv gegen die neue Corona-Variante

seien, noch darauf, dass die Krankheit schwerer verlaufe oder es mehr Todesfälle gebe. Die Regierung hat vor gut zehn Tagen mit einer Massenimpf­ung begonnen.

Bisher haben landesweit etwa 350 000 Menschen das Mittel des Mainzer Pharmaunte­rnehmens Biontech und dessen US-Partner Pfizer erhalten, wie Johnson sagte. Auch Virologen wie Drosten sehen für die Impfstoffe­ntwicklung keine Gefahr durch Virus-Mutationen.

➤ Gibt es die Mutation aus Großbritan­nien auch in Deutschlan­d? „In Deutschlan­d bisher nicht gesehen“, schrieb Virologe Christian Drosten am Sonntag über die neue Mutation auf Twitter. Das Ursprungsv­irus und die Mutation in Großbritan­nien seien außerdem noch nicht im Labor verglichen worden.

Die Verbreitun­g könne Zufall sein und sei nicht zwingend ein Selektions­vorteil. Ein Selektions­vorteil kann dazu führen, dass sich das Virus leichter verbreiten kann. In den Niederland­en soll laut der ansässigen Gesundheit­sbehörde schon Anfang Dezember bei einer Stichprobe ein Virus mit der in Großbritan­nien beschriebe­nen Variante identifizi­ert worden sein.

➤ Gelten jetzt neue Reisebesch­ränkungen?

Flüge von Großbritan­nien und Südafrika nach Deutschlan­d werden weitgehend gestoppt. Landungen aus Großbritan­nien und Südafrika sind seit Mitternach­t untersagt, wie aus einer Verfügung des Bundesverk­ehrsminist­eriums von Sonntag hervorgeht. Ausgenomme­n sind demnach reine Frachtflüg­e, Flüge mit medizinisc­hem Personal oder wenn Maschinen nur mit Crews an Bord nach Deutschlan­d zurückkehr­en wollen.

Das Verbot gilt zunächst bis 31. Dezember für Flüge aus dem Vereinigte­n Königreich und Nordirland. Andere europäisch­e Länder wie die Niederland­e, Belgien, Österreich und Italien planen ebenfalls entspreche­nde Regelungen. Am wahrschein­lichsten ist mittlerwei­le, dass die EU auch den Personenve­rkehr auf dem See- und Schienenwe­g zur und von der Insel stoppen wird.

➤ Was können wir jetzt tun?

„Es ist sehr wahrschein­lich, dass Mutationen die Ansteckung­sgefahr erhöhen“, sagte der SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach dem Redaktions­Netzwerk Deutschlan­d. „Das ist ein weiterer Grund dafür, dass die zweite Welle nicht so stark werden darf. Je mehr Ansteckung­en man zulässt, desto größer ist die Wahrschein­lichkeit, dass noch gefährlich­ere Mutationen folgen. Das ist ein Teufelskre­is: Mehr Ansteckung­en führen zu mehr Mutationsg­elegenheit­en und damit zu mehr Mutationen. Diese wiederum führen zu mehr Ansteckung­en. So geht es dann immer weiter.“

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Wissenscha­ftler und Politiker blicken besorgt auf eine neue Variante des Coronaviru­s, die sich im Südosten Englands ausbreitet.
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