„Hier geht es um Leben und Tod“
Falko Droßmann über den Lockdown und Corona-Weihnachten
„Wie ist die Lage?“heißt der (fast) tägliche Podcast der Gute Leude Fabrik und der Hamburger Morgenpost. Darin spüren wir tagesaktuellen Fragen nach – zu Wort kommen Macher, Musikerinnen, Models, Mütter und Politiker, genau wie Helfer, Schwester, Schweißer, Freiberufler. Die Auswahl ist rein subjektiv, aber immer spannend und überraschend. Heute macht dies „N Klub – Die Show“möglich. Die Gespräche finden per Telefon statt. In der aktuellen Folge spricht PRProfi Lars Meier mit dem Chef des Bezirksamts Mitte, Falko Droßmann.
Lars Meier: Herr Droßmann, welcher Termin 2020 wird Ihnen eher in Erinnerung bleiben? Die Entdeckung der illegalen Kiezparty oder einer der Termine im Fernsehen? Falko Droßmann:
Das war alles aufregend, aber der eindrucksvollste Termin war, als ich in einem Pflegeheim in Wilhelmsburg stand und entscheiden musste, ob wir die positiv auf Corona getesteten Senioren in ein Krankenhaus bringen oder die negativ Getesteten. Wir mussten die Verantwortung übernehmen, weil der Betreiber nicht mehr zur Arbeit gekommen ist und die Pflegekräfte auch nicht. Und dann standen die Mitarbeiter des Gesundheitsamtes und ich dort und mussten diese Entscheidung treffen. Auf so was waren wir nicht vorbereitet. Das hat mich auch nachher noch lange beschäftigt. Am Ende haben wir die richtige Entscheidung getroffen.
Was war denn die richtige Entscheidung? Davon hat man ja nichts mitbekommen.
Wir haben am Ende die negativ Getesteten in ein Krankenhaus gebracht, weil wir sie dort isolieren konnten. Die positiv getesteten Menschen konnten wir in der Einrichtung isolieren und mussten sie nicht noch transportieren und zusätzlich die Beschäftigten im Krankenhaus einem Risiko aussetzen. Das war im März.
Was finden Sie an Ihrem Job immer noch schön? Gibt es noch Sonnenseiten?
Die Sonnenseiten sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für die ich die Verantwortung habe. Die machen einen ganz schweren Job. Derzeit das Gesundheitsamt, aber auch das Jugendamt, das – Corona hin oder her – in die Familien muss, wenn etwas ist. Und wie eine öffentliche Verwaltung es schafft, das durchzuhalten. Auch jetzt bleibt sie ja geöffnet. Wie ich mit diesen Menschen Pläne entwickle, damit Bürgerinnen und Bürger an Dienstleistungen kommen, wie wir uns auf Krisen vorbereiten, wie ich sie motivieren kann und sehe, dass es dann auch funktioniert, ist anstrengend, aber auch sehr schön.
Was geht denn eher nicht im Homeoffice?
Erst mal ist das Bezirksamt Mitte digital ziemlich weit. Ich habe bereits vor zwei Jahren entschieden, dass alle Kolleginnen und Kollegen mit Laptops ausgestattet werden, weil mir letztlich egal ist, wo sie arbeiten. Die Kollegen in der Stadtplanung oder in der Bauprüfabteilung können von zu Hause arbeiten. Herausfordernd wird allerdings das Kundenzentrum. Und der Bezirk Mitte ist für alle Obdachlosen der Stadt verantwortlich, die nichts mehr haben, wo sie hingehen können. Die kommen zu uns. Wir haben hier die Kasse, an der sie ihre Barauszahlung bekommen, und die Fachstelle für Wohnungsnotfälle. Die bleiben geöffnet, auch über die Feiertage. Die Daseinsvorsorge bleibt aufrechterhalten.
Hätte man schon vor vier oder fünf Wochen in den harten Lockdown gehen sollen?
Wir waren den ganzen Sommer an jedem Wochenende unterwegs und haben mit den Betreibern auf dem Kiez harte Diskussionen geführt, warum die Regeln eingehalten werden müssen. Ich war zwischendurch mal für zwei Tage in Berlin, wo es offenbar gar keine Regeln gab. So jedenfalls mein Eindruck. Insofern bin ich schon der Überzeugung, dass wir diesen schmalen Grat zwischen dem Sicherheitsbedürfnis und der Freiheit der Menschen getroffen haben. Jetzt ist der Lockdown aber nötig, weil uns die Intensivstationen volllaufen. Hier geht es um Leben und Tod.
Wie kann man sich Weihnachten bei Familie Droßmann vorstellen?
Also, meine Spaghetti Bolognese sind legendär. Dieses Jahr wird Weihnachten natürlich anders. Wir werden nicht zur Familie fahren, sondern zu Hause bleiben. Und ich werde Heiligabend drei Stunden auf YouTube Geschichten vorlesen. Norddeutsche Geschichten für Menschen, die vielleicht alleine zu Hause sind. Es gibt auch schon ein, zwei Pflegeheime, die gesagt haben, dass sie einen Bildschirm aufstellen und das für eine halbe Stunde übertragen werden. Auch mein Gesundheitsamt muss über die Feiertage arbeiten und zum Beispiel Kontakte nachverfolgen. Da muss der Chef sich auch mal blicken lassen.
Drei Stunden lesen – wann haben Sie das letzte Mal Geschichten vorgelesen?
Vor Corona habe ich das drei, vier Mal im Jahr in Spielhäusern und Elternschulen gemacht. Ich mag das.
Wann lesen Sie denn vor?
Ich war für 18 bis 21 Uhr. Allerdings ist in den Pflegeheimen schon so früh Schluss. Deshalb überlegen wir gerade, es von 16 bis 19 Uhr zu machen. Aber das muss noch geplant werden.
Was gibt es denn nun zu essen?
Heiligabend gibt es MilchBohnensuppe. Das ist mein Lieblingsgericht. Und am ersten Weihnachtsfeiertag Spaghetti Bolognese. Das schmeckt einfach.
Das ist ein bisschen irritierend ...
Ich weiß, aber man muss ja nicht jede Tradition zur eigenen erklären.
Wie sieht es bei Ihnen mit dem Kirchgang aus?
Ich gehe sehr gerne sonntags in die Kirche, wenn möglich, jeden Sonntag. Ich bin ja sogar vor 20 Jahren über die Arbeit in einem Kirchengemeinderat in die Politik gekommen. Es gibt mir sehr viel, in die Kirche zu gehen. Wir versuchen gerade zu genehmigen, dass die Kirchen draußen Gottesdienste feiern können, allerdings wird das schwierig. Hygienekonzepte sind einzuhalten.
Sind Sie Last-Minute-Geschenkekäufer?
Ich schenke eigentlich jedes Jahr dasselbe. Das ist vielleicht etwas einfallslos, aber ich verschenke an Familie und enge Freunde immer die Lose der „Aktion Mensch“. Das ist für einen guten Zweck und ich gebe den Menschen die Chance, Millionär zu werden.