Hamburger Morgenpost

Corona-Mutation: Drosten hat gute Nachrichte­n

PANDEMIE Erreger könnte schon in Deutschlan­d sein – doch der Top-Virologe sieht kein größeres Problem

- Von VALENTIN FRIMMER

Es klingt gruselig: Eine neue Corona-Mutante verbreitet sich offenbar recht schnell. Greift sie nun auch bald bei uns um sich? Top-Virologe Christian Drosten ist da zurückhalt­end – und hat sogar eine gute Nachricht.

„Auch das noch“, „Das hat uns gerade noch gefehlt“oder schlicht „Och nö“: So oder so ähnlich dürften die Reaktionen auf die Coronaviru­s-Variante B.1.1.7 ausgefalle­nsein,dieExperte­nin Großbritan­nien registrier­t haben. Dass die Variante tatsächlic­h mit großer Wahrschein­lichkeit leichter übertragba­r ist als bislang kursierend­e Formen von Sars-CoV-2, ist nun an neuen Daten zu sehen. Doch obwohl einige Experten annehmen, dass B.1.1.7 hierzuland­e bereits angekommen ist, schlagen sie nicht gerade Alarm.

„Ich glaube nicht, dass wir da bald ein größeres Problem kriegen“, sagte etwa der Berliner Virologe Christian Drosten gestern. Es sei zwar wahrschein­lich, dass B.1.1.7 mittlerwei­le auch in Deutschlan­d sei. „Aber bei den aktuellen Beschränku­ngen dürfte diese Variante hierzuland­e eher schwer Fuß fassen.“Darauf deuteten Daten hin, die die Gesundheit­sbehörde Public Health England (PHE) veröffentl­icht hat.

Dem Papier zufolge verbreite sich B.1.1.7. überall dort besonders schnell, wo unzureiche­nde Beschränku­ngen zu einem Anstieg der Infektions­zahlen führen, sagte Drosten. In Gegenden in Großbritan­nien aber, in denen wirksame Maßnahmen gelten, sei auch die neue Variante weitgehend unter Kontrolle. Für Deutschlan­d folgert Drosten daher, dass der Lockdown der Variante wenig Chance auf Verbreitun­g lassen dürfte.

Bislang gebe es keine Hinweise darauf, dass die neue Variante einen Einfluss auf die Krankheits­schwere hat, ergänzte Drosten. „Das ist ganz wichtig für die Bevölkerun­g, die sich jetzt Sorgen macht.“

Zudem gebe es keine Anzeichen für einen vermindert­en Impfschutz durch B.1.1.7. Auch der Chef des Impfstoffh­erstellers Biontech, Ugur Sahin, bekräftigt­e am Dienstag, dass sein Präparat sehr wahrschein­lich auch gegen die neue Variante wirke.

Die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) wies darauf hin, dass sich alle Viren mit der Zeit verändern. Dabei brächten die meisten dieser Mutationen dem Erreger keine direkten Vorteile, manchmal seien sie sogar hinderlich. Um die Auswirkung­en einer spezifisch­en Mutation zu verstehen, seien aufwendige und zeitintens­ive Untersuchu­ngen nötig.

PHE-Experten hatten am Montag ein Forschungs­papier veröffentl­icht, demzufolge B.1.1.7. sehr wahrschein­lich leichter übertragba­r ist als andere Varianten. Dafür werteten sie

Daten aus verschiede­nen Regionen aus. Aus den PHEModellr­echnungen könne man ableiten, dass die Reprodukti­onszahl – also die Zahl der Menschen, die ein Infizierte­r im Schnitt ansteckt – bei der neuen Variante je nach Ort um etwa 30 bis 40 Prozent erhöht ist, sagte Drosten. „Das ist erheblich.“Allerdings seien die Schätzunge­n unscharf und mit Vorsicht zu genießen.

Das PHE-Papier hatte Drosten auf Twitter zunächst mit dem Satz „Das sieht leider nicht gut aus“kommentier­t. Später lieferte er aber eine differenzi­ertere Betrachtun­g.

In Deutschlan­d war das Virus laut Lothar Wieler, Präsident des Robert-KochInstit­uts (RKI), zunächst noch nicht nachgewies­en worden. Angekommen ist die Variante vermutlich trotzdem schon. „Die Wahrschein­lichkeit, dass sie schon in Deutschlan­d ist, aber bisher unerkannt, schätze ich schon als sehr,

sehr hoch ein“, sagte

Wieler am Dienstag. Er verwies darauf, dass die Variante B.1.1.7 in Großbritan­nien bereits im September erstmals nachgewies­en wurde, zudem gebe es bereits Nachweise in Nachbarlän­dern wie den Niederland­en und Dänemark.

Die Bedeutung der Variante für das Infektions­geschehen sei noch nicht endgültig einzuschät­zen, sagte Wieler. Dies werde genau beobachtet, es seien noch viele Fragen offen. Generell sei klar: Je mehr sich ein Virus verbreite, desto mehr Gelegenhei­t habe es, sich zu verändern.

Die neue Variante des Virus ist durch etwa 20 Mutationen in ihrem Erbgut charakteri­siert. Die Mutation mit der Bezeichnun­g N501Y dürfte es leichter machen, in menschlich­e Zellen einzudring­en und eine Infektion zu verursache­n. Allerdings ist laut Drosten unklar, was der Variante den entscheide­nden Vorteil bringt.

So sei denkbar, dass man bei B.1.1.7. weniger Viren ausgesetzt sein muss, um ansteckend zu werden. Es sei aber auch möglich, dass die Variante dafür sorgt, dass ein Infizierte­r mehr Viren im Rachen hat und dadurch ansteckend­er ist.

Positiv zu werten sei, dass der neuen Variante ein bestimmtes Gen fehle, das eigent lich die Krankheit - schwere verstärkt, sag Drosten. „Das ist die g Nachricht.“Es könnte a sein, dass B.1.1.7. harml e ist. Möglicherw­eise se auch ein Grund fü ie schnellere Verbreitun­g, sagMensche­n te Drosten. Denn ohne oder mit nur leicht Symptomen isolieren h eher nicht und können andere durch vermehrt stecken.

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 ?? Foto: imago images/MiS ?? Virologe Christian Drosten hält B.1.1.7 nach jetzigem Forschungs­stand nicht für gefährlich­er als das ursprüngli­che Coronaviru­s.
Foto: imago images/MiS Virologe Christian Drosten hält B.1.1.7 nach jetzigem Forschungs­stand nicht für gefährlich­er als das ursprüngli­che Coronaviru­s.

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