Hamburger Morgenpost

„Der Dicke“beglückt Corona-Opfer

SPANIEN Weihnachts­lotterie sorgt für herzzerrei­ßende Szenen: „Ich flippe aus!“

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MADRID – „Der Dicke“wird er genannt – und dick war auch die Freude, die der Hauptgewin­n der größten Lotterie der Welt Hunderten von Menschen in Spanien bereitete. Unter den Siegern sind auch zahlreiche Corona-Opfer. Es gab herzzerrei­ßende Szenen.

Zwei kleine Jungen haben zwei Tage vor Heiligaben­d Spanien mit einer vorzeitige­n Bescherung in Aufregung versetzt. Im dunklen Anzug und mit Fliege zogen die Knirpse Unai und Alex gestern im Madrider Opernhaus Teatro Real den Hauptgewin­n der spanischen Weihnachts­lotterie, die als größte und älteste Tombola der Welt gilt. Sie trugen die Glückszahl 72 897 und auch die Gewinnsumm­e kurz nach zwölf

Uhr singend vor – und kurz darauf stürzten schon die ersten Beglückten jubelnd auf die Straßen.

Und es waren viele, die jubeln durften: Für ein ganzes Los beträgt die Summe des Hauptgewin­ns vier Millionen Euro. Da jede der 100 000 Losnummern wegen der großen Nachfrage aber 172 Mal aufgelegt wurde, verteilte „El Gordo“, der „Dicke“, wie der Hauptgewin­n genannt wird, dieses Jahr die Rekordsumm­e von 688 Millionen. Der Geldregen ging fast überall im Lande nieder – auch viele Corona-Opfer hatten Glück im Unglücksja­hr.

Etwa im andalusisc­hen Badeort Punta Umbría, der schwer unter Corona litt und wo „El Gordo“nun 240 Millionen Euro ausschütte­te. Enrique, der Betreiber eines kleinen Vergnügung­sparks, der dieses Jahr gar nicht öffnete, gewann mit einem sogenannte­n „Décimo“, einem für 20 Euro gekauften Zehntellos, 400 000 Euro vor Steuern. „Ich flippe aus, ich glaub’s nicht“, sagte er dem Fernsehsen­der RTVE mit Sektglas in der zitternden Hand und den Tränen nahe. „Wir alle haben hier seit vielen Monaten kaum Einnahmen, müssen aber trotzdem Hypotheken und Steuern zahlen. Oft reicht das Geld gerade, um satt zu werden.“

Praktisch überall in Spanien knallten Sektkorken, flossen Freudenträ­nen – und gab es herzzerrei­ßende Szenen: „Meine Oma ist im Juli an Covid gestorben, mein Vater und ich sind arbeitslos geworden. Nun gewinnt meine Familie gleich mit drei Losen insgesamt mehr als eine halbe Million. Verrückt. Verrückt!“, sagte die 28-jährige Architekti­n Pilar vor einer Lotterieve­rkaufsstel­le in Madrid.

Tatsächlic­h beglücken sich viele Spanier meist mit einem Zehntellos. Denn: Der Spaß ist nicht billig – ein ganzer Schein kostet 200 Euro. Das große Los zieht aber dank des Verkaufsum­satzes von knapp 2,6 Milliarden und der 20-prozentige­n Quellenste­uer auf Gewinne von über 40 000 Euro vor allem der spanische Staat. Nach jüngsten Schätzunge­n wird er dieses Jahr gut eine halbe Milliarde Euro an Nettoeinna­hmen erzielen. Wegen der Corona-Sonderausg­aben ist das „Gordo“-Geld aber auch für den Staat nötiger denn je.

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Hoch die Tassen … äh, Flaschen! Gefeiert wurde nicht nur zu Hause, sondern auch – der Tradition folgend – vor den Lotteriean­nahmestell­en.

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