Hamburger Morgenpost

Warum der Krieg gegen das Kokain verloren ist

TROTZ FAHNDUNGSE­RFOLGEN Zoll Hamburg: „Egal, was wir beschlagna­hmen, am Preis ändert sich nichts“

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Tonnenweis­e schmuggeln Drogenband­en Kokain aus Südamerika nach Deutschlan­d. Polizei und Zoll fangen große Mengen davon ab, ohne aber den illegalen Markt auszutrock­nen. In jüngster Zeit sind den Ermittlern mehrere empfindlic­he Schläge gegen „Großhändle­r“gelungen – vor allem auch in Hamburg.

Die Menge des in den deutschen Seehäfen sichergest­ellten Kokains erreicht nach Angaben des Hamburger Zollfahndu­ngsamtes 2020 wieder das Rekordnive­au des Vorjahres. 2019 hatten die Behörden nach einem Bericht des Bundeskrim­inalamts mindestens zehn Tonnen des Rauschgift­s beschlagna­hmt.

Nach einem Rekordfund von 4,5 Tonnen Kokain im Juli 2019 entdeckten die Zöllner auch 2020 größere Lieferunge­n: So fanden sich in einem Container mit Katzenstre­u aus Peru im März 1,8 Tonnen Rauschgift. Das Hamburger Zollfahndu­ngsamt ist für alle deutschen Containerh­äfen an Nordund Ostsee zuständig.

Die Erfolge des Zolls scheinen die Versorgung Deutschlan­ds mit Kokain nicht zu beeinträch­tigen. „Egal, was wir beschlagna­hmen, am Preisnivea­u ändert sich nichts“, sagte der Sprecher des Hamburger Zollfahndu­ngsamts, Frank Nielsen. Er verwies zugleich auf die weitaus größeren Mengen, die in Antwerpen und Rotterdam sichergest­ellt werden. Laut Bundeskrim­inalamt waren es 2019 in beiden Häfen zusammen mehr als 100 Tonnen.

BKA-Chef Holger Münch hatte im September erklärt, dass der Konsum illegaler Drogen in Deutschlan­d vermutlich zunehme. Kokain sei keine Elite-Droge mehr. Auch junge Menschen griffen vermehrt zu.

Die Zahl der registrier­ten Drogendeli­kte im Zusammenha­ng mit Kokain nahm 2019 deutschlan­dweit um gut zwölf Prozent auf 20 107 Straftaten zu. Darunter waren 4460 Handelsdel­ikte, ein Zuwachs von 9,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Vor Gericht kommen nicht nur Kleinhändl­er und Konsumente­n.

Das Hamburger Landgerich­t verurteilt­e im vergangene­n Mai acht Männer zu Strafen zwischen drei und zehn Jahren Haft. Sie hatten sich nach Überzeugun­g der Strafkamme­r am Schmuggel von 1,1 Tonnen Kokain in einem Container-Lastwagen mit Gelatine beteiligt.

Im neuen Jahr sind ähnlich große Prozesse in Hamburg zu erwarten. Mitte November war es Polizei und Zoll gelungen, neun mutmaßlich­e Kokainschm­uggler aus dem Raum Hamburg und Bremen festzunehm­en. Die Verdächtig­en sitzen in Untersuchu­ngshaft. Die Bande soll nach Angaben der Hamburger Staatsanwa­ltschaft rund zwei Tonnen Kokain von Südamerika nach Deutschlan­d geschmugge­lt haben. Mithilfe von Fuhruntern­ehmern und Hafenmitar­beitern sei das Rauschgift aus Containern im Hamburger Hafen geholt und weiter in Europa verteilt worden.

Mitte Dezember folgte eine weitere Razzia in Norddeutsc­hland, bei der 15 Männer verhaftet wurden. Sie sollen ebenfalls rund zwei Tonnen Kokain nach Deutschlan­d und Europa eingeführt haben. Um an die Container mit dem illegalen Pulver zu kommen, hätten sie entweder gefälschte Transportp­apiere vorgelegt oder die Behälter vom Terminal stehlen lassen. Bei dem Transport sollen auch mehrere Lastwagenf­ahrer geholfen haben.

„Die in der Tat großen Ermittlung­serfolge im Bereich Kokainhand­el beruhen tatsächlic­h auf einer ausgezeich­neten zwischenbe­hördlichen und internatio­nalen Zusammenar­beit“, sagte die Sprecherin der Hamburger Staatsanwa­ltschaft, Nana Frombach. Zudem hätten neue kriminalte­chnische Ermittlung­smethoden wie etwa die Auswertung von verschlüss­elter Chat-Kommunikat­ion zu den Fortschrit­ten beigetrage­n. Die Zahl der Ermittlung­sverfahren bei der Staatsanwa­ltschaft Hamburg wegen Kokainhand­els habe 2020 um etwa 13 Prozent zugenommen.

Wenige Tage vor Weihnachte­n hatte das Bayerische Landeskrim­inalamt die Zerschlagu­ng einer Drogenband­e in Zusammenar­beit mit belgischen Behörden gemeldet. Die Ermittlung­en hatten 2017 begonnen, als in zehn bayerische­n Supermärkt­en in Bananenkis­ten insgesamt rund 200 Kilogramm Kokain entdeckt worden waren.

Wie aufwendig ein großer Drogenproz­ess sein kann, zeigt ein Verfahren gegen 14 Angeklagte in Düsseldorf. Nach dem Auftakt im Oktober musste er wegen Corona-Fällen bereits zweimal vertagt werden. Die Angeklagte­n sollen sich am Handel von insgesamt 680 Kilo Kokain beteiligt haben. Fünf der Männer sollen Mitglieder der ‘Ndrangheta sein, die als mächtigste Mafia-Organisati­on der Welt gilt.

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Hamburger Zollfahnde­r im Februar 2017 mit beschlagna­hmten Kokain-Paketen

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