Der Kontakt zu den Patienten ist sehr intensiv. Sie haben Weihnachten ja nur uns. Und wir nur sie.
Das Jahresende auf der Intensivstation, das ist immer eine Ausnahmesituation. Aber wie sieht es in diesem Jahr aus? Wie ist es für Krankenschwestern und Pfleger, die Feiertage auf einer Covid-19-Station zu verbringen? Die MOPO sprach mit Lars Sigl (35), Fachkrankenpfleger für Anästhesie und Intensivmedizin und stellvertretender Leiter der Intensivstation der AsklepiosKlinik Wandsbek.
MOPO: Herr Sigl, was unterscheidet diese Feiertage im Zeichen Corona von all den vorherigen auf einer Intensivstation?
Lars Sigl: Weihnachten auf der Intensivstation, das ist immer eine schwierige Situation für die Patienten, das möchte keiner erleben. Was dieses Jahr von denen zuvor unterscheidet, sind die Besuchsregeln. Vorher durfte wenigstens die engste Familie kommen, die Patienten haben vertraute Gesichter gesehen, vielleicht ein paar Kekse oder kleine Geschenke von zu Hause bekommen. Patienten im Koma konnten wenigstens die Stimmen ihrer Angehörigen hören. All das war jetzt nicht möglich, für keinen Patienten auf der Intensivstation, auch nicht für die, die kein Covid-19 haben.
Was bedeutet das für Sie als Pfleger?
Das bedeutet, dass der Kontakt zu den Patienten sehr intensiv ist. Die haben ja über die Feiertage nur uns. Und wir nur sie.
Bemerken Covid-19-Patienten überhaupt, dass jetzt eine besondere Zeit ist? Sind die nicht in einer Art künstlichem Koma?
Patienten an Beatmungsgeräten sind stark sediert, aber nicht in einem richtigen Koma. Man möchte ja, dass die eigene Atmung weiter trainiert wird. Wir können nicht sagen, was diese Menschen mitbekommen. Wir sprechen mit ihnen, fassen sie an, mobilisieren sie, streicheln sie auch mal. Es gibt auch Patienten, die sind wach genug, dass wir sie in einen Sessel setzen können. Die akuten Beatmungsfälle, die denken nicht an Weihnachten, das stimmt schon. Aber es gibt ja auch andere Patienten auf Intensiv, jenseits des klar abgetrennten Covid-Bereiches. Covid-Patienten, die bei Bewusstsein sind, erleben ja wochenlang nur Menschen in Schutzkleidung um sich herum. Wie reagieren die Patienten darauf?
Es liegt an uns, dem Patienten die Situation, in der er sich befindet, zu erklären, was passiert ist und warum wir so angezogen sind. Zum Teil verstehen es die Patienten auch, da das Thema Covid schon lange präsent ist. Wir zeigen uns auch ohne Schutzausrüstung durch Schutzscheiben und stellen uns als Person vor, wie bei jedem anderen Patienten auch. Dadurch kann man Angst nehmen und eine Struktur und Orientierung in der ungewohnten Umgebung ermöglichen.
Wie gehen Sie mit der Sehnsucht der Patienten nach ihren Familien um?
Ein Beispiel: Ich hatte Nachtdienst, und da rief ein Sohn seine Mutter an, um sie nach einem Grünkohlrezept zu fragen. Sie freute sich, war aber auch sehr traurig, dass sie nicht bei dem Essen dabei sein konnte. Wir haben uns dann über Festtags-Traditionen unterhalten. Zuhören, auch mal was von sich erzählen, einen kleinen
Scherz machen, so etwas gehört auch zu unserem Beruf. Wenn Angehörige Familienfotos an die Pforte bringen, hängen wir die ins Krankenzimmer, solche Sachen. Wir versuchen, möglich zu machen, was geht.
Wie sieht es mit Videotelefonie aus, stellt die Station den Patienten so etwas zur Verfügung? Wir haben ein Stations-Handy für Covid-Patienten. Viele haben auch ein eigenes Smartphone, mit dem sie über Facetime mit den Familien sprechen. Da sind die jungen Kollegen und Kolleginnen super, die kennen sich mit so was spitzenmäßig aus. Man hilft auch mal mit einem privaten Ladekabel aus. Für uns ist es auch ungewohnt, dass wir nur minimalen Kontakt zu den Angehörigen haben. Früher war es so, dass manche Patienten nach ihrer Entlassung noch mal vorbeikamen. Zu sehen, dass es einem ehemaligen Intensivpatienten wieder besser geht, das ist sehr schön. Jetzt bekommen wir