Hamburger Morgenpost

„Huhn mit Fischgesch­mack“

Claus Günther litt an Hunger und Kälte, war aber froh überlebt zu haben

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Wenn der Hamburger Claus Günther an Weihnachte­n 1945 denkt, dann denkt er an Not und Entbehrung, an Hunger und Kälte – und an das Huhn mit Fischgesch­mack.

„Wir waren ausgebombt, und deshalb wohnten wir alle in Omas kleinem Haus. Mein Vater, meine Mutter, mein Onkel und ich. Obendrein gab es auch noch Mieter im ersten Stock, und die hatten ebenfalls einen Verwandten zu sich nehmen müssen. Es war also ganz schön eng in dem kleinen Häuschen, aber wir waren alle froh, den Krieg überlebt zu haben.

Was ich als Kind toll fand, war, dass nicht mehr verdunkelt werden musste. Anders als im Krieg brannten die Straßenlat­ernen – soweit noch vorhanden – wieder, die Scheinwerf­er der selten gewordenen Autos waren wieder voll erleuchtet (zuvor war nur ein schmaler Schlitz sichtbar), und vor allem durften wir in den Zimmern wieder Licht machen, ohne dass draußen jemand erschrocke­n und auch drohend rief: ,Licht aus!‘

Zu Weihnachte­n ,organisier­ten‘ wir Kohlen zum Heizen, und wir schlachtet­en eins von Omas Kaninchen. Zum ,Tschintsch­en‘ (Tauschen) hatten wir nichts mehr. Am zweiten Weihnachts­tag gab es Huhn. Ich weiß noch, dass das Hühnerflei­sch nach Fisch schmeckte, denn es war mit Fischmehl gefüttert worden, weil es nichts anderes gab. Geschenkt wurde Selbstgema­chtes: Handschuhe und Pulswärmer. Auf dem Tisch standen ein paar Tannenzwei­ge und zwei Bismarck-Lichter sowie selbst gebrannter Schnaps.“

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