Der Mode-Futurist isttot
PIERRE CARDIN Er erfand die Kleider der Zukunft – und wurde mit seinen Ideen reich
NEUILLY – „Was ist Mode? Morgen! Niemals gestern!“Das war sein Motto. Morgen, das war jahrzehntelang der nächste Arbeitstag. Gestern ist Pierre Cardin, der große Designer, in Neuilly in Frankreich gestorben. Nach einem bunten erfüllten Leben – mit 98 Jahren.
Mit seinen Entwürfen hat Pierre Cardin so viel Geld verdient, „dass ich mir alles leisten kann“, wie er selbst mal anmerkte. Was ihn aber gar nicht so wahnsinnig interessierte: „Wenn ich hätte Geld verdienen wollen, hätte ich es auf die Bank gebracht oder an der Börse spekuliert“, sagte er.
„Wenn ich viel gearbeitet habe, dann vielleicht nicht um einen Traum, aber doch immerhin einen Drang zu verwirklichen.“Was für eine herrlich unsentimentale Erklärung.
Der Designer wurde am 2. Juli 1922 als Sohn eines französischen Weinhändlers in Italien geboren. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ging er nach Paris und begann als Modezeichner im Haus Paquin. Nur kurze Zeit später wechselte er zu Christian Dior, wo er 1947 bei der Kreation des legendären „New Look“mitwirkte. Drei Jahre später schon gründete er sein eigenes Haute-Couture-Unternehmen.
Cardin galt neben Paco Rabanne und André Courrèges als Erfinder der futuristischen Mode. So schickte er Anfang der 1960er Jahre seine
Mannequins in astronautenähnlichen Anzügen und mit Helm über den Laufsteg.
Zu seinen erfolgreichsten Kreationen gehörten geometrisch geschnittene Minikleider mit Schießscheibenmustern und Röcke mit Vinylstreifen.
Seine Modenschauen inszenierte er auch mal in der Wüste Gobi oder auf dem Roten Platz in Moskau. Und immer arbeitete er, Ruhestand war für ihn eine Horrorvorstellung: „Das ist mein Grund zu leben“, sagte Cardin noch zu seinem 95. Geburtstag. „Ohne Arbeit würde ich mich langweilen, in ihr finde ich mein Gleichgewicht. Deshalb mache ich weiter.“
Der clevere Cardin entwarf aber nicht nur futuristische Designs – auch sein Geschäftssinn war seiner Zeit voraus: Als Erster in seiner Branche entwarf er Mode für die Masse: Jeans, Socken und Unterwäsche in Kaufhäusern wurden unter seinem Namen verkauft.
Und nicht nur Textilien gab’s von Cardin: Er war der Erste seiner Zunft, der seinen Namen für Möbel, Mineralwasser, Plattenspieler und Autos hergab. Ein genialer Markenstratege! Und das machte ihn zu einem der reichsten Männer Frankreichs. In über siebzig kreativ-geschäftstüchtigen Jahren erschuf er ein Mode-Imperium. das mehr als 800 Fabriken und Lizenzen umfasst. Und wurde damit nicht nur reich, sondern nach allem, was man von ihm so hörte, auch glücklich.