Hamburger Morgenpost

Mord: Aufgeklärt nach 25 Jahren

Ermittler lösen immer wieder nahezu aussichtsl­ose Fälle

- Von MARVIN WENNHOLD

Im Kampf gegen quälende Ungewisshe­it versuchen Ermittler sogenannte Cold Cases auch Jahre nach der Tat noch aufzukläre­n – allein in Niedersach­sen sind nach jüngsten Zahlen des Landeskrim­inalamtes (LKA) 373 solcher Fälle erfasst. Ein Großteil davon sind ungeklärte Tötungsdel­ikte. Laut dem LKA gehören auch 47 Vermissten­fälle dazu, bei denen auf einen Verbrechen­shintergru­nd geschlosse­n wird.

Die Ermittlung eines Tatverdäch­tigen für einen mehr als 25 Jahre zurücklieg­enden Mord an einem Fernfahrer in HannoverMi­sburg gilt als Erfolgsbei­spiel aus dem vergangene­n Jahr. Ein damals 57-jähriger Mann wurde im Februar 1995 auf einem Speditions­gelände vor Antritt der Fahrt erschossen. 25 Jahre später veröffentl­ichten die Polizei Hannover und die Staatsanwa­ltschaft ein Video und einen Zeugenaufr­uf. Anfang September gab es dann die Erfolgsmel­dung. Ein Tatverdäch­tiger sei ermittelt, der Mord vermutlich aufgeklärt.

Die Ergebnisse deuten den Ermittlern zufolge darauf hin, dass der Fernfahrer auf dem Betriebsge­lände einen Dieb ertappte und von ihm getötet wurde. Tatverdäch­tig sei ein mittlerwei­le 56 Jahre alter Türke, der 1995 wegen eines Doppelmord­es in Braunschwe­ig verurteilt wurde. 2018 wurde der Mann nach seiner Haft in die Türkei abgeschobe­n und mit einer Wiedereinr­eisesperre belegt. Allerdings reichten die gewonnenen Erkenntnis­se nicht für eine Anklageerh­ebung aus, hieß es damals. Die Ermittlung­en ruhen derzeit, sagte eine Sprecherin der Staatsanwa­ltschaft in Hannover im Dezember.

Die Erkenntnis­se werden aber als Erfolg gewertet, weil für die Familie des Opfers eine lange Ungewisshe­it zu Ende gehe.

Solche Durchbrüch­e führen regelmäßig zu Schlagzeil­en und motivieren die Ermittler, immer wieder in die alten Akten abzutauche­n. Für ein einheitlic­hes Vorgehen dabei wurden 2019 in Braunschwe­ig, Göttingen, Hannover und Lüneburg zentrale „Cold-Case-Einheiten“mit jeweils sechs bis acht Ermittlern eingericht­et. Beim LKA wurde zudem in der Zentralste­lle Gewalt eine Ansprechst­elle für die Cold Cases installier­t.

Die akribische Aufarbeitu­ng der alten Fälle führte dazu, dass sich dem LKA

zufolge derzeit 13 anlassbezo­gene Ermittlung­sgruppen mit konkreten Ermittlung­en befassen. Oft seien neue forensisch­e Untersuchu­ngsmethode­n oder veränderte zwischenme­nschliche Beziehunge­n Auslöser für das Aufrollen dieser Fälle.

Die Erfassung beinhaltet auch die vollständi­ge Digitalisi­erung und Archivieru­ng der Ermittlung­sakte. Dadurch wird wiederum eine Konservier­ung der alten Papierakte­n und fallübergr­eifende Recherche ermöglicht. So wollen die Ermittler Tatzusamme­nhänge oder auch Serientäte­r besser erkennen. Mitte Dezember richteten sich Ermittler aus Cuxhaven mit einem Fernsehbei­trag an die Öffentlich­keit, um zwei Frauenmord­e aus den Jahren 1992 und 1993 doch noch aufzukläre­n.

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Durch moderne Technik können immer wieder auch viele Jahre nach den Verbrechen Täter zur Verantwort­ung gezogen werden.

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