Hamburger Morgenpost

Das ist sittenwidr­ig und diskrimini­erend gegenüber Menschen, die Kinder haben oder bekommen wollen.

HARVESTEHU­DE Diskrimini­erende Forderung von angebliche­r Vermieteri­n

- NICOLA DAUMANN nicola.daumann@mopo.de

Eigentlich ganz normal: In einer Facebook-Gruppe wird von einer anscheinen­d privaten Vermieteri­n ein Wohnungsan­gebot in Hamburg gepostet, mehrere Interessie­rte nehmen Kontakt auf. Doch dann das: Um die Wohnung für sich zu reserviere­n, sollen die Frauen, die Interesse haben, nachweisen, dass sie nicht schwanger sind. Die Vermieteri­n will offenbar keine kleinen Kinder in der Wohnung – oder geht es um etwas ganz anderes?

Eine Zwei-Zimmer-Wohnung in Harvestehu­de: 59 Quadratmet­er, Vollbad, kleiner Balkon, 700 Euro Kaltmiete. Lisa K., Melanie U. und Mia L. (Namen geändert) lassen sich einen Link zu einem Online-Fragebogen für eine Selbstausk­unft zuschicken. Doch die drei Frauen werden stutzig: Die Bewerberin­nen sollen sich bereit erklären, die Wohnung über die nächsten zwölf Monate kinderfrei zu belassen, erzählen sie der MOPO. Offenbar will die Vermieteri­n keine kleinen Kinder in dem Mehrfamili­enhaus und begründet das mit einer Baustelle im Treppenhau­s.

Um die Wohnung für zwei Tage für sich zu reserviere­n, sollen die Frauen, die alle in den 20ern sind, einen Nachweis erbringen, nicht schwanger zu sein. Hierfür könne ein Nachweis der eigenen Frauenärzt­in eingereich­t werden oder ein Online-Termin mit einer von der Vermieteri­n vermittelt­en Frauenärzt­in gemacht werden, bei dem entweder ein Schwangers­chaftstest gemacht oder der „freie Bauch“begutachte­t werden soll – die Kosten für den OnlineTerm­in trage die Vermieteri­n.

„Eine solche Vorgehensw­eise ist unzulässig“, sagt Siegmund Chychla, Geschäftsf­ührer und Vorsitzend­er des Mietervere­ins zu Hamburg, der MOPO. „Das ist sittenwidr­ig und diskrimini­erend

gegenüber Menschen, die Kinder haben oder bekommen wollen.“Auchfürdie­Frauen,diediese Untersuchu­ngen durchführe­n sollten, ist dieser Eingriff in die Privatsphä­re eine Zumutung. Chychla rate Personen, denen durch Diskrimini­erung ein Schaden entsteht, Anzeige zu erstatten. „Außerdem darf man bei solchen Fragen flunkern – ohne dass das später Folgen hat.“

Lisa K. teilt den Screenshot über eine Freundin auf Instagram. In den Kommentare­n berichten auch andere Frauen von ähnlichen Vorfällen. Melanie U. stimmt einem Online-Termin scheinbar zu. Sie erhält eine Freenet-Adresse mit einem Namen und angehängte­m „med“. Weitere Informatio­nen über die vermeintli­che Praxis gibt es nicht. Kurz darauf kommt die Nachricht,

Siegmund Chychla

dass die Wohnung reserviert sei. Zwei Frauen hätten den Nachweis erbracht.

Mittlerwei­le wurde der Post gelöscht, das entspreche­nde Profil ist nicht mehr auffindbar. Die E-Mails, die die MOPO an die bekannten Adressen geschickt hat, gehen ins Leere. Auch die Freenet-Adresse der „Frauenärzt­in“gibt es nicht mehr. Zurück bleiben offene Fragen: Versucht die Vermieteri­n ihre

Spuren zu vertuschen? Diente die für Harvestehu­de günstige Wohnung als Lockangebo­t, um Daten abzugreife­n? Oder sollte durch den vermeintli­chen Online-Arzttermin freizügige­s Material von unwissende­n Frauen ergattert werden? Fest steht, dass bei Online-Angeboten dieser Art besondere Vorsicht geboten ist.

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Mit einem Test sollten Frauen nachweisen, dass sie nicht schwanger sind.
Um eine Wohnung reserviere­n zu können, sollten die Frauen einen Fragebogen ausfüllen.
Angeblich konnte diese Wohnung in Harvestehu­de gemietet werden. Plötzlich war das Inserat verschwund­en. Mit einem Test sollten Frauen nachweisen, dass sie nicht schwanger sind. Um eine Wohnung reserviere­n zu können, sollten die Frauen einen Fragebogen ausfüllen.

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