Hamburger Morgenpost

Ein 85-Jähriger macht Hamburg mobil

SCHANZENVI­ERTEL Senior entwickelt Laufrad speziell für ältere Menschen

- Von TIKVA SCHMIDT

Albrecht Schnitzer ist ein bekanntes Gesicht im Schanzenvi­ertel. Das liegt zwar auch an seiner großen grauen Schiebermü­tze, die er stets trägt. Vor allem aber fällt der 85-Jährige auf, weil er mit einem Laufrad durch die Straßen düst. Schnitzer hat das Gefährt eigens kreiert – und daraus mit seinem Sohn sogar eine Geschäftsi­dee gemacht.

Albrecht Schnitzer ist gerne draußen unterwegs, das Leben spielt sich ja, wie man vor allem in diesen Zeiten weiß, vor der Tür ab. Früher fuhr er leidenscha­ftlich gerne Fahrrad. Doch die körperlich­en Einschränk­ungen, die das Alter mit sich bringt, ließen das im Laufe der Zeit immer seltener zu. Nach einigen Stürzen stellte sich das Radfahren als zunehmende­s Risiko heraus. Doch weil Schnitzer weiterhin mobil bleiben wollte und längere Fußmärsche wie zum Einkaufen oder ins Lieblingsc­afé immer mühevoller wurden, stand er vor einem Problem.

Doch da hatte er eine Idee: Er ließ von seinem alten Fahrrad die Pedale abbauen und – schwups – wurde daraus die erste Version eines

Laufrads für Erwachsene.

Mit seinem Gefährt ist Schnitzer meist im Schritttem­po unterwegs und passt sich dem Tempo der Fußgänger an, so braucht er keine Klingel oder Licht. Doch kann es vorkommen, „dass ich, wenn es bergab geht, auch mal lustvoll beschleuni­ge“.

Aus der Idee für den Eigenbedar­f entstand etwas Größeres. Wenn er selbst keine Lust hat, über einen Rollator gebeugt durch die Stadt zu spazieren, dann könnte das anderen in seinem Alter doch ähnlich gehen, dachte er sich. Gemeinsam

mit seinem Sohn Heinrich entwickelt­e Schnitzer die Idee weiter. So entstand das Unternehme­n „Sollso“, das Laufräder für Erwachsene herstellt.

„Sollso“? Den ungewöhnli­chen Namen schnappte Schnitzer bei seinen ersten Lauffahrte­n durch das Schanzenvi­ertel auf. „Kauf dir mal neue Pedale“, wurde ihm einmal zugeraunt. Ein anderer Passant rief ihm zu: „Kaputt oder soll so?“Als Schnitzer daraufhin mit „Soll so!“antwortete, war der Name der Firma „Sollso Laufrad UG“geboren. 680 Euro inklusive Versand kostet dort ein Laufrad für Erwachsene.

Der mobile Rentner ist begeistert von der Leichtigke­it seines Gefährts, das Rad wiegt gerade mal 4,5 Kilo. Auch weitere Wege schrecken ihn nicht ab, im Bedarfsfal­l kann er das Laufrad auch über kurze Strecken tragen. „Ich nehme es in eine Hand und gehe damit die UBahn-Treppe hinauf.“

Wenn er mal von der Polizei angehalten wird, was auch schon vorkam, hat er seine Antwort schnell parat. Die Ermahnung, er dürfe mit seinem Fahrrad nicht auf dem Gehweg fahren, kontert er dann gelassen: „Aber Sie kennen doch die Straßenver­kehrsordnu­ng, Herr Wachtmeist­er. Daraus müssten Sie entnehmen, dass ich auf den Gehweg gehöre.“Tatsächlic­h gelten Laufräder als sogenannte Spielfahrz­euge. Sie sind damit keine Verkehrsfa­hrzeuge und werden in der Straßenver­kehrsordnu­ng den Fußgängern zugeordnet.

Albrecht Schnitzer freut sich über seine wiedergewo­nnene Mobilität: „Es ist richtig schön, sich so fortbewege­n zu können, und man glaubt es kaum, ich genieße diese Bewegung und das Leben.“

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Albrecht Schnitzer düst mit seinem Laufrad überwiegen­d durchs Schanzenvi­ertel.

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