Hamburger Morgenpost

Der Präsident als Staatsfein­d: Die fünf Lektionen für uns Europäer

- MATHIS NEUBURGER mathis.neuburger@mopo.de

Der Präsident als Staatsfein­d Nr. 1: Donald Trump ist aktuell der wohl gefährlich­ste Mensch für die amerikanis­che Demokratie. Seine Präsidents­chaft endet im Chaos, mit Verrat und Gewalt. So schockiere­nd die Ereignisse der letzten Tage, Wochen, Monate und Jahre sind: Als Deutsche und Europäer bekommen wir gerade fünf Lektionen in Demokratie gelehrt, die wir leider bitter nötig haben:

1. Trump hat uns Europäern das größte Warnschild überhaupt aufgestell­t: Seht her, das passiert, wenn ihr euch den Populisten ausliefert, den Gaulands und Höckes, den Le Pens und Salvinis, den Orbáns und Erdogans.

2. Trump hat gezeigt, wohin es führt, wenn man die Demokratie verächtlic­h macht, ihre Institutio­nen systematis­ch unterhöhlt, ihre Vertreter dem Spott preisgibt, ihre komplexen Verfahren lächerlich macht: direkt in den Abgrund. Oder, wie ein fassungslo­ser George W. Bush am Mittwochab­end schrieb, in eine „Bananenrep­ublik“.

3. „Make Guillotine­s Great Again“stand auf einem Plakat am Kapitol. Die Bilder von Washington sollten allen eine Warnung sein, die vom Umsturz träumen, von Revolution und Eskalation, die „das System“abschaffen wollen. Am Ende kann es passieren, dass tatsächlic­h ein Mob das Parlament stürmt, die Demokratie abschafft und kurzen Prozess mit allen Andersdenk­enden macht – inklusive einem selbst.

4. Wenn der Mob randaliert, kommt es auf den Einzelnen an. Wer der Meinung ist, es sei doch egal, wer im Kabinett sitzt, wer Justizmini­ster, Innenminis­ter, Fraktionsc­hef, Vizepräsid­ent oder Kanzler ist, der sollte sich vergegenwä­rtigen, dass Mike Pence und Mitch McConnell gestern in den USA die Demokratie gerettet haben – nachdem sie vier Jahre Trumps Irrsinn mitgetrage­n haben. Aber in diesem einen Moment, als es auf der Kippe stand, haben sie sich für die Verfassung und die Republik entschiede­n. Nur deshalb hat Trump am Ende verkündet, dass er aufgibt. Wer also meint, man könne auch mit Faschisten und Extremiste­n regieren, sollte sich fragen, wie Gauland & Co. reagiert hätten.

5. Die letzte Lektion ist: Wir dürfen es nicht so weit kommen lassen, dass das Land in zwei Lager, zwei Stämme gespalten wird, die sich nur noch auf Twitter und Facebook anbrüllen, denen es nur um Macht und nicht mehr um Diskurs und Erkenntnis geht. Unser Wahlsystem hilft dabei, es tariert mehr aus als das US-amerikanis­che, fördert den Kompromiss, den Wandel, bleibt dadurch beweglich und zugleich stabil. Wer dem politische­n Gegner seine Daseinsber­echtigung abspricht, wenn dieser auf demokratis­chem Boden steht, greift immer auch unsere Demokratie und damit uns alle an.

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