Hamburger Morgenpost

Hamburgs liberale Juden beten in der Turnhalle

SERIE Bei den weltlichen Gläubigen gibt es auch Rabinnerin­nen. Doch es mangelt an Platz in der Stadt

- Von NICOLA DAUMANN

Weltlich, konservati­v, orthodox: Es gibt viele Arten, das Judentum auszuleben. Auch in Hamburg gibt es verschiede­ne Strömungen und Gemeinden. Eine von ihnen ist die „Liberale Jüdische Gemeinde“. Hier ist auch Jutta Kleberg Mitglied. Mit der MOPO hat sie über ihr liberales jüdisches Leben in unserer Stadt gesprochen.

Kleberg lebt seit 24 Jahren in Hamburg, ursprüngli­ch kommt sie aus Frankfurt. Ihre Familie lebt seit Generation­en in Deutschlan­d und musste das Land einzig wegen des Holocaust vorübergeh­end verlassen. Schon Klebergs Vorfahren waren weltlich eingestell­t, sie selbst setzt das zu Hause fort. Sie und ihre beiden Söhne ernähren sich „koscher light“, erzählt sie lachend. Sie verzichte auf Schweinefl­eisch, achte aber sonst nicht auf jede Vorschrift. Aber sie führe dennoch ein „jüdisches Leben“, betont sie, gehe regelmäßig zum Gottesdien­st und leite am Freitag mit der Familie bei Kerzensche­in Shabbat ein. Das Brot, das dabei gebrochen wird, backt sie oft selbst. Der Brauch erde sie, so Kleberg. Klebergs Weise, ihre Religion auszuleben, passt gut zum liberalen Judentum. Männer und Frauen sind in religiösen Angelegenh­eiten

gleichbere­chtigt. Anders als im orthodoxen Judentum können Frauen hier Rabbinerin­nen werden, bei Gottesdien­sten sitzen Frauen und Männer zusammen. Dabei wird gesungen und Instrument­e werden gespielt. Gerade für Gläubige mit einem nicht-jüdischen Partner ist die Liberale Gemeinde eine gute Möglichkei­t, findet Kleberg, die selbst mit einem Nichtjuden verheirate­t ist. Die Gottesdien­ste werden nicht nur auf Hebräisch, sondern auch auf Deutsch gehalten.

Hamburg war einmal das Zentrum des liberalen Judentums, hier stand der erste liberale jüdische Tempel – so nennen liberale Gemeinden ihre Gotteshäus­er. Doch während sich die Strömung in den USA zu der mitglieder­stärksten jüdischen Gruppierun­g entwickelt­e, wurde sie in Deutschlan­d während des Holocaust praktisch ausgelösch­t.

Die neugegründ­eten jüdischen Gemeinden nach dem Krieg waren Einheitsge­meinden, auf eine Unterschei­dung zwischen orthodox und liberal wurde verzichtet. In der Hamburger Einheitsge­meinde mit ihrer Synagoge in der Hohen Weide sind heute viele der rund 2500 Mitglieder weltlich eingestell­t. 2004 gründete sich die Liberale Jüdische Gemeinde in Hamburg neu, mittlerwei­le hat sie rund 500 Mitglieder.

Eigene Gebetsräum­e hat die Liberale Gemeinde aber nicht. Der ehemalige Tempel in der Oberstraße, der einst über 1000 Gläubigen Platz bot, gehört mittlerwei­le dem NDR und wird als Studio und Konzertsaa­l genutzt. In Nicht-Corona-Zeiten trifft sich die Gemeinde daher abwechseln­d in der Turnhalle der ehemaligen Jüdischen Mädchensch­ule oder dem Gebetsraum des ehemaligen Israelitis­chen Krankenhau­ses.

Beides ist nicht ideal: Der Gebetsraum ist zu klein, in der Turnhalle fühlt sich die Gemeinde als Gast. Sie müssen jedes Mal Bänke aufstellen, Gebetsbüch­er werden in einem Abstellrau­m gelagert. „Wir müssen jedes unserer Feste anmelden und immer fragen, ob wir die Turnhalle nutzen können“, sagt Kleberg zur MOPO. Da die Turnhalle auch von einem Kindergart­en genutzt wird, würden auch mal Gegenständ­e verschwind­en oder auf dem Müll landen. Besonders würdevoll ist das nicht, findet Kleberg.

Derzeit laufen Gespräche mit der Stadt über eigene Gebetsräum­e für die Gemeinde. „Die Stadt kommt uns dabei sehr entgegen“, sagt Kleberg. „Wir freuen uns auch sehr auf die BornplatzS­ynagoge.“Sie hofft, dass die Liberale Gemeinde und die Einheitsge­meinde das geplante Gebäude gemeinsam nutzen werden. Schon jetzt besuchen viele Bekannte der Anfang 50-Jährigen Gottesdien­ste beider Gemeinden.

Dass das Judentum in Deutschlan­d immer noch als etwas Fremdes gesehen wird, findet Kleberg schade. Sie wünscht sich, dass das jüdische Leben auch in Hamburg sichtbarer wird. Durch vermeintli­che Kleinigkei­ten, wie Geschenkpa­pier für Chanukka zum Beispiel oder Grußkarten für Bar Mitzwas. „Ich bin Deutsche“, sagt Kleberg, die die Liberale Gemeinde am „Runden Tisch gegen Antisemiti­smus“vertritt. „Nur mit jüdischer Konfession.“

 ??  ?? Jutta Kleberg ist Mitglied der „Liberalen Jüdischen Gemeinde“in Hamburg.
Jutta Kleberg ist Mitglied der „Liberalen Jüdischen Gemeinde“in Hamburg.
 ??  ??
 ??  ?? Das Denkmal am ehemaligen Tempel in der Oberstraße, der jetzt als Konzertsaa­l genutzt wird
Das Denkmal am ehemaligen Tempel in der Oberstraße, der jetzt als Konzertsaa­l genutzt wird

Newspapers in German

Newspapers from Germany