Hamburger Morgenpost

Angriff auf Hamburgs Kleingärte­n

Pächter werden vertrieben, immer mehr Lauben und Naturfläch­en müssen für Bauprojekt­e weichen. Jetzt regt sich Widerstand:

- Von ELISABETH SCHRÖDER und FLORIAN QUANDT

Peter Adam (82) versteht die Welt nicht mehr. Seit 61 Jahren wohnt er in seinem Kleingarte­n an der Krausestra­ße (Dulsberg). Vor einigen Wochen dann der Schock: Allen Kleingarte­nbesitzern des KGV EilbekHohe­nfelde 421 wurden die Parzellen gekündigt.

1960 hat der gelernte Maschinens­chlosser sich das von Grün umgebene Häuschen in Dulsberg gekauft. Von seinem Ausbildung­sgehalt, kurz nachdem er geheiratet hatte. 7000 Mark musste er damals zahlen. Das Haus steht auf einer Doppelparz­elle mit gepflegtem Garten auf rund 683 Quadratmet­ern, das Grundstück ist von der Stadt Hamburg gepachtet.

An das Datum des Kaufs erinnert sich Adam ganz genau. „Es war der 5.11.1960. Damals stand auf jeder Parzelle ein Haus wie meines“, erzählt der ehemalige Hafenarbei­ter im Gespräch mit der MOPO. „Also wohne ich nun schon seit 61 Jahren hier.“

Insgesamt gab es in Dulsberg noch vor nicht allzu langer Zeit sechs Koppel genannte Flächen, auf denen sich Kleingärte­n befanden. Drei davon wurden bebaut. Nun befürchtet Adam, dass der Koppel 6 ein ähnliches Schicksal droht. Denn in den vergangene­n Jahren musste er mit ansehen, wie immer mehr

Nachbarn ihre Parzellen räumen mussten.

Die Koppel 6, auf der auch seine Parzelle liegt, bestand ursprüngli­ch aus 14 Einheiten. Vor drei Jahren trudelten dann bei drei seiner Nachbarn Kündigunge­n ein. Seitdem liegen die Gärten brach. Adam ist frustriert: „Es passiert einfach nichts. Die Leute aus der Umgebung bringen hier ihren Abfall hin und verschande­ln damit das Gelände. Es sieht echt wild aus.“

Als bei ihm dann am 17. Februar der erste Vorsitzend­e des KGV Eilbek-Hohenfelde anrief, war es ein Schock. Zum Jahresende sollen auch die restlichen elf Kleingarte­nbesitzer ihre Parzellen räumen – darunter Adam. Was dann mit dem Gelände geschehen soll, wurde ihm nicht mitgeteilt.

Was also plant die Stadt mit der Fläche? Auf Nachfrage der MOPO sagt der Sprecher von „Hamburg Invest“: „Es laufen Gespräche mit einer Firma, die beabsichti­gt, ihre Unternehme­nszentrale mit über 100 Arbeitsplä­tzen im Gewerbegeb­iet an der Krausestra­ße/Dehnhaide anzusiedel­n.“Außerdem solle dort Platz für Handwerker und Unternehme­n geschaffen werden.

So etwas habe man auch von anderen Kleingärte­n gehört, sagt Werner Gadermann, der Vorsitzend­e des KGV Eilbek-Hohenfelde 421 im Gespräch mit der MOPO. Es wären Bauvor

haben von der Stadt vage angekündig­t worden und letztlich nicht umgesetzt. Nachdem die Kleingärte­n geräumt wurden, läge das Gelände brach.

Als die MOPO Peter Adam mit den Plänen der Stadt konfrontie­rt, zeigt er sich enttäuscht: „Das alles gab es hier doch schon mal. Auf dem Gelände waren Blumenhänd­ler und andere Unternehme­n. Den Betreibern wurde immer gekündigt. Die Stadt weiß einfach nicht, was sie will. Warum werden die Kleingärte­n aufgegeben, obwohl gar nicht klar ist, was mit der Fläche geschehen soll?“

Außerdem sei es für ihn unverständ­lich, dass immer mehr Kleingarte­nsiedlunge­n bebaut werden. Sein Verein hätte noch nie so viele Anfragen bekommen wie in diesem Jahr. „Es kommen ständig Leute vorbei, die mich fragen, ob bei uns noch ein Garten frei ist. Die ohnehin schon große Nachfrage ist durch Corona noch mehr angestiege­n“, sagt Adam.

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? Peter Adam (82) muss sein Zuhause bis Jahresende verlassen.
Peter Adam (82) muss sein Zuhause bis Jahresende verlassen.
 ??  ?? Eine der verkommend­en Parzellen im KGV Eilbek-Hohenfelde 421. Eigentlich hätte hier ein Bauvorhabe­n umgesetzt werden sollen.
Eine der verkommend­en Parzellen im KGV Eilbek-Hohenfelde 421. Eigentlich hätte hier ein Bauvorhabe­n umgesetzt werden sollen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany