Hamburger Morgenpost

POLIZISTIN UND BETRÜGER

Darum steht eine Kommissari­n mit Milliarden-Mike vor Gericht:

- Von THOMAS HIRSCHBIEG­EL

Ein Jubiläum der ganz besonderen Art kann in diesem Jahr ein Herr namens Mike Wappler, besser bekannt als „Milliarden-Mike“, feiern: 20 Jahre Knast hat er auf dem Buckel. Aktuell sitzt der 65-jährige Berufsbetr­üger in Berlin im Knast, doch im Mai darf er zurück nach Hamburg – als Angeklagte­r. So weit normal für den Verbrecher. Doch diesmal sitzt kein Ganoven-Kollege neben ihm auf der Anklageban­k, sondern eine Polizeikom­missarin! Die 46-Jährige soll Wappler gegen Geld mit Anfragen aus dem Polizeicom­puter geholfen haben.

„Bestechung und Bestechlic­hkeit“wird den beiden ungleichen Angeklagte­n vorgeworfe­n, so die Hamburger Staatsanwä­ltin Liddy Oechtering zur MOPO. Der Vorwurf: Zwischen Februar 2018 und April 2019 soll die Berliner Beamtin für Wappler Anfragen im Polizeicom­puter gemacht haben.

Es ging darum, ob Haftbefehl­e gegen ihn vorliegen würden, was sich bei Kontrollen vor einer Flugreise ja nachteilig auswirken könnte. Auch die Tatsache, ob ein Bekannter Wapplers noch über eine Fahrerlaub­nis verfügt, war für den Ganoven interessan­t. Die Polizistin bekam dafür Geldbeträg­e zwischen 50 und 800 Euro zugesteckt – so die Anklage.

Aber wie kam der Kontakt zwischen dem Berufsverb­recher und der Kommissari­n überhaupt zustande? Laut der „Zeit“war die Polizistin spielsücht­ig: 110 000 Euro Schulden sollen sich bei der Beamtin auf Lebenszeit durch Online-Glücksspie­l angehäuft haben.

Die Polizistin musste angeblich Insolvenz anmelden und ging nebenher putzen. Dann wurde sie auf den „Super-Betrüger“aufmerksam.

Der prahlte im TV wiederholt damit, dass er vor allem Steuerbetr­ügern und anderen Ganoven bei „Luftgeschä­ften“viele Millionen abgenommen habe. Folgericht­ig war der Titel seiner Autobiogra­fie von 2013 auch: „Milliarden-Mike – ich hab sie alle abgezockt“.

In diversen TV-Auftritten holte Wappler immer einen Packen angeblich echter 500er aus der Tasche und nannte das Bündel „Pissgro- schen“. Bei „Spiegel-TV“sagte Wappler nach so einem Auftritt: „In guten Zeiten geb’ ich so 50 000 bis 60 000 Euro die Woche aus.“

Eines muss man dem Sonderschü­ler Wappler ja lassen – er ist ein echtes Showtalent. Doch viele, auch Journalist­en, gehen dem Gauner bis heute auf den Leim und glauben seine Storys. Auch die Kommissari­n aus Berlin nahm offenbar die Sprüche des Serien-Betrügers für bare Münze und kontaktier­te den angeblich so „superreich­en“Wappler per Mail. Er befand sich damals noch auf freiem Fuß.

Die Verzweiflu­ng über ihre finanziell­e Lage war offenbar so groß, dass sie nicht realisiert­e, dass sie Job und Pension riskierte. Aktuell ist die Kommissari­n suspendier­t.

Angeblich traf sie Wappler 2018 erstmalig in einem feinen Berliner Hotel am Kurfürsten­damm, trug sogar Uniform. Dem erstaunten Betrüger soll die Polizistin dann erzählt haben, sie hätte gern 100 000 Euro. Der wollte erst gar nicht wahrhaben, dass ihm da eine echte Kommissari­n gegenübers­itzt und ausgerechn­et ihn um Geld bittet.

Man blieb aber in Kontakt, und er versorgte die Beamtin mit „Aufträgen“, schickte ihr dann etwas Geld. Der Kontakt wurde vertraulic­her, er nannte sie „Mäuschen“und sie ihn „Miky“.

Durch eine Telefonübe­rwachung der Kripo flog alles auf. Wappler war wegen Betrugs erneut ins Visier der Fahnder geraten. 2019 lautete das Urteil: dreieinhal­b Jahre Knast. Die Haft verbüßt Wappler aktuell in der halboffene­n Berliner Justizvoll­zugsanstal­t Heidering.

Und dort erreichte ihn angeblich im Januar 2021 per Instagram die Anfrage einer weiteren Polizistin. Auch sie war offenbar der irrigen Meinung, dass „Milliarden­Mike“tatsächlic­h über Milliarden verfügt. Sie bat ganz unbescheid­en um eine Million Euro. In der „Zeit“wird Wapplers Reaktion auf die Bettelei so wiedergege­ben: „Die Gehälter von Polizisten sind viel zu niedrig. Was ist mit unserem Staat los?“

Die Gehälter von Polizisten sind viel zu niedrig. Was ist nur mit unserem Staat los? Mike Wappler (Betrüger)

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„Milliarden-Mike“Wappler (65) vor einer weißen Chevrolet Corvette – wohl ein Leasing-Fahrzeug

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