PARTY UND KULTUR
Clubs und Musicals sind seit einem Jahr dicht. Halten sie durch?
Die Vorfreude auf den Moment der Wiedereröffnung gibt uns Zuversicht.
Stille statt lauter Bässe, Leere statt voller Dancefloors: Seit genau einem Jahr sind Hamburgs Clubs im Lockdown. Wie geht es den Läden – und den Menschen, die von der Party leben? Ein Gespräch mit Malte von der Lancken, Booker des Uebel&Gefährlich im Feldstraßenbunker.
MOPO: Die wichtigste Frage zuerst: Wie lange haltet ihr noch durch? Malte von der Lancken: Wir lebennoch.Wirsindnochoptimistisch.Aberwirsitzen nicht auf einem Kissen und sagen: Bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag klappt das schon. Wir haben uns eine gewisse Zuversicht antrainiert, hangeln uns aber nach wie vor von Monat zu Monat. Grundsätzlich sind wir optimistischer, als wir es in den ersten zwei Wochen von Corona waren.
Wenn ein Club von jetzt auf gleich dichtmachen muss, bedeutet das Einschnitte auf vielen Ebenen.
Zum einen ging es um die persönlichen Existenzen: Miete bezahlen, Brot kaufen. Aber zum anderen hat man sich halt auch einen kulturellen und subkulturellen Freiraum geschaffen – wenn so was einmal weg ist, ist das nicht so leicht, so was wieder entstehen zu lassen mitten in Hamburg.
Was ist mit euch in den ersten Wochen des Lockdowns passiert?
Es entstand ein krasser Aktionismus, wir haben den Kopf nicht in den Sand gesteckt, weil wir im kreativen Bereich ja ohnehin so gepolt sind: Lösungen finden, aus Problemen was machen. Wir haben zusammen mit anderen Clubs die Berliner Streaming-Initiative „United we stream“nach Hamburg geholt. Konzerte und DJ-Sets streamen, Clubkultur nach Hause holen. Wir haben das gemacht, was sich in dem Moment richtig angefühlt hat, und ein Lebenszeichen gesendet.
Das bekam anfangs viel Aufmerksamkeit – aber im Laufe des Jahres hat sich eine gewisse StreamingMüdigkeit eingestellt.
Klar, in den ersten Wochen war da eine ganz andere Aufmerksamkeit und Bereitschaft da. Und letztendlich war das auch keine ausreichende Einnahmequelle für alle, die von einem normalen Clubbetrieb leben. Geschweige denn kostendeckend. Trotzdem haben wir immer weiter versucht, Menschen eine Plattform zu geben. Daraus ist dann der Online-Radiosender „[sic]nal“entstanden, auf dem wir zwei bis drei Mal die Woche live senden. Aber es kann natürlich nicht die Club-Normalität nachstellen: Feiern, dem Alltag entfliehen, neue Leute treffen, Safe-Spaces schaffen, glücklich sein.
Für ClubbesucherInnen ist der Verzicht hart, für Menschen, deren Job so ein Club ist, noch mal härter. Für Soloselbstständige – vor allem TechnikerInnen und KollegInnen, die an Bar, Tür, Garderobe arbeiten – hat sich direkt eine prekäre finanzielle Situation ergeben. Da gab es Soforthilfen, für die es jetzt Rückzahlungsforderungen gibt. Das sind alles Menschen, die einen Club ausmachen, die Input reinstecken. Es tut schon weh, die Leute zu sehen, die ansonsten so viel reinstecken in so ein Projekt und dann so am Struggeln sind.
Wie erging es euch als festem Kernteam persönlich?
Es gab es viele emotionale Tiefs, in die wir individuell, aber auch als Kollektiv gefallen sind. Irgendwann ging es aber darum, die Situation zu akzeptieren, auch auf sich zu achten.
Wie habt ihr politische Entscheidungen aufgenommen?
Am Anfang dachte man: Die Clubs fallen durchs Raster. Aber man merkt: Clubs stehen nicht mehr in einer Kategorie mit Spielotheken, man wird genannt mit Theatern und Museen. Das gab es so klar vorher nicht. Das war längst überfällig. Gerade in Hamburg hat die Kulturbehörde das auch verstanden. Aber je länger der Lockdown andauert, desto mehr wird sich zeigen, wie lange da der Atem in Sachen Unterstützungsbereitschaft ist. Was denkst du: Wann könnt ihr wieder aufmachen?
Im Sommer werden hoffentlich wieder Konzerte in kleinerem Kreis unter Hygieneauflagen möglich sein, bei denen man dann wieder Livemusik genießen kann. Aber eine Party, die es sich lohnt, Party zu nennen? Ich gehe aktuell nicht davon aus, dass es das vor Ende des Jahres geben wird. Wie wird das erste Mal Uebel&Gefährlich ohne Auflagen?
Gänsehaut. Wir haben zuletzt eine neue Lüftungsanlage eingebaut. Und da gab es einen Soundcheck um zu gucken, ob der Sound nicht beeinträchtigt wird. Da stand ich seit Langem mal wieder mitten im Club, während die Anlage voll aufgedreht war. Dieses Erlebnis, den Bass im ganzen Körper vibrieren zu fühlen – mein Grinsen ging bis an die Ohren. Da war mir klar: Wow, wenn das irgendwann wieder losgeht, muss man eigentlich jede/n vorher an die Hand nehmen und sagen: Pass auf, das wird dich gleich umhauen. Die Vorfreude auf diesen Moment gibt uns weiter Zuversicht.
Malte von der Lancken