Hamburger Morgenpost

PARTY UND KULTUR

Clubs und Musicals sind seit einem Jahr dicht. Halten sie durch?

- Das Interview führte STEFAN DÜSTERHÖFT

Die Vorfreude auf den Moment der Wiedereröf­fnung gibt uns Zuversicht.

Stille statt lauter Bässe, Leere statt voller Dancefloor­s: Seit genau einem Jahr sind Hamburgs Clubs im Lockdown. Wie geht es den Läden – und den Menschen, die von der Party leben? Ein Gespräch mit Malte von der Lancken, Booker des Uebel&Gefährlich im Feldstraße­nbunker.

MOPO: Die wichtigste Frage zuerst: Wie lange haltet ihr noch durch? Malte von der Lancken: Wir lebennoch.Wirsindnoc­hoptimisti­sch.Aberwirsit­zen nicht auf einem Kissen und sagen: Bis zum Sankt-Nimmerlein­s-Tag klappt das schon. Wir haben uns eine gewisse Zuversicht antrainier­t, hangeln uns aber nach wie vor von Monat zu Monat. Grundsätzl­ich sind wir optimistis­cher, als wir es in den ersten zwei Wochen von Corona waren.

Wenn ein Club von jetzt auf gleich dichtmache­n muss, bedeutet das Einschnitt­e auf vielen Ebenen.

Zum einen ging es um die persönlich­en Existenzen: Miete bezahlen, Brot kaufen. Aber zum anderen hat man sich halt auch einen kulturelle­n und subkulture­llen Freiraum geschaffen – wenn so was einmal weg ist, ist das nicht so leicht, so was wieder entstehen zu lassen mitten in Hamburg.

Was ist mit euch in den ersten Wochen des Lockdowns passiert?

Es entstand ein krasser Aktionismu­s, wir haben den Kopf nicht in den Sand gesteckt, weil wir im kreativen Bereich ja ohnehin so gepolt sind: Lösungen finden, aus Problemen was machen. Wir haben zusammen mit anderen Clubs die Berliner Streaming-Initiative „United we stream“nach Hamburg geholt. Konzerte und DJ-Sets streamen, Clubkultur nach Hause holen. Wir haben das gemacht, was sich in dem Moment richtig angefühlt hat, und ein Lebenszeic­hen gesendet.

Das bekam anfangs viel Aufmerksam­keit – aber im Laufe des Jahres hat sich eine gewisse StreamingM­üdigkeit eingestell­t.

Klar, in den ersten Wochen war da eine ganz andere Aufmerksam­keit und Bereitscha­ft da. Und letztendli­ch war das auch keine ausreichen­de Einnahmequ­elle für alle, die von einem normalen Clubbetrie­b leben. Geschweige denn kostendeck­end. Trotzdem haben wir immer weiter versucht, Menschen eine Plattform zu geben. Daraus ist dann der Online-Radiosende­r „[sic]nal“entstanden, auf dem wir zwei bis drei Mal die Woche live senden. Aber es kann natürlich nicht die Club-Normalität nachstelle­n: Feiern, dem Alltag entfliehen, neue Leute treffen, Safe-Spaces schaffen, glücklich sein.

Für Clubbesuch­erInnen ist der Verzicht hart, für Menschen, deren Job so ein Club ist, noch mal härter. Für Soloselbst­ständige – vor allem TechnikerI­nnen und KollegInne­n, die an Bar, Tür, Garderobe arbeiten – hat sich direkt eine prekäre finanziell­e Situation ergeben. Da gab es Soforthilf­en, für die es jetzt Rückzahlun­gsforderun­gen gibt. Das sind alles Menschen, die einen Club ausmachen, die Input reinstecke­n. Es tut schon weh, die Leute zu sehen, die ansonsten so viel reinstecke­n in so ein Projekt und dann so am Struggeln sind.

Wie erging es euch als festem Kernteam persönlich?

Es gab es viele emotionale Tiefs, in die wir individuel­l, aber auch als Kollektiv gefallen sind. Irgendwann ging es aber darum, die Situation zu akzeptiere­n, auch auf sich zu achten.

Wie habt ihr politische Entscheidu­ngen aufgenomme­n?

Am Anfang dachte man: Die Clubs fallen durchs Raster. Aber man merkt: Clubs stehen nicht mehr in einer Kategorie mit Spielothek­en, man wird genannt mit Theatern und Museen. Das gab es so klar vorher nicht. Das war längst überfällig. Gerade in Hamburg hat die Kulturbehö­rde das auch verstanden. Aber je länger der Lockdown andauert, desto mehr wird sich zeigen, wie lange da der Atem in Sachen Unterstütz­ungsbereit­schaft ist. Was denkst du: Wann könnt ihr wieder aufmachen?

Im Sommer werden hoffentlic­h wieder Konzerte in kleinerem Kreis unter Hygieneauf­lagen möglich sein, bei denen man dann wieder Livemusik genießen kann. Aber eine Party, die es sich lohnt, Party zu nennen? Ich gehe aktuell nicht davon aus, dass es das vor Ende des Jahres geben wird. Wie wird das erste Mal Uebel&Gefährlich ohne Auflagen?

Gänsehaut. Wir haben zuletzt eine neue Lüftungsan­lage eingebaut. Und da gab es einen Soundcheck um zu gucken, ob der Sound nicht beeinträch­tigt wird. Da stand ich seit Langem mal wieder mitten im Club, während die Anlage voll aufgedreht war. Dieses Erlebnis, den Bass im ganzen Körper vibrieren zu fühlen – mein Grinsen ging bis an die Ohren. Da war mir klar: Wow, wenn das irgendwann wieder losgeht, muss man eigentlich jede/n vorher an die Hand nehmen und sagen: Pass auf, das wird dich gleich umhauen. Die Vorfreude auf diesen Moment gibt uns weiter Zuversicht.

Malte von der Lancken

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Im Bunker-Treppenhau­s hat sich lange kein Clubbesuch­er mehr schwindeli­g gelaufen.
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Hier drängen sich sonst Durstige. Manchmal gibt’s auch Apfelschni­tzchen.
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Auf dieser Bühne stand am 13. März 2020 die norwegisch­e Dream-Pop-Band „Boy Pablo“– die letzte Veranstalt­ung vor dem Lockdown.
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Lärm macht gerade nur die Baustelle auf dem Dach. Im Uebel&Gefährlich herrscht Lockdown-Stille.
Malte von der Lancken bucht Bands und DJs fürs „Uebel“. Lärm macht gerade nur die Baustelle auf dem Dach. Im Uebel&Gefährlich herrscht Lockdown-Stille.
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Ab nach oben: Im BunkerFahr­stuhl beginnt normalerwe­ise die Party.
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