Hamburger Morgenpost

Das langsame Sterben der Kleingärte­n

BAUBOOM Überall in Hamburg müssen Lauben weichen

- Von ELISABETH SCHRÖDER

Einige Kleingärte­n beherberge­n über 200 Arten.

Dirk Sielmann

Die Warteliste­n lang, die Sehnsucht nach einem Stück Natur in der Stadt groß: Kleingärte­n sind beliebt wie lange nicht – und gleichzeit­ig so bedroht wie nie. Denn Hamburg braucht Wohnungen. Überall in der Stadt müssen die Lauben samt Kirschbaum, Hochbeet und Spielrasen Bauprojekt­en weichen. Doch auch der Widerstand wächst.

311 Kleingarte­nvereine gibt es in Hamburg. Doch viele sind bedroht vom Bauboom. Welche genau, ist gar nicht so einfach rauszufind­en. Die Stadtentwi­cklungsbeh­örde hat keinen Überblick, die wenigsten Bezirke können eine klare Antwort liefern. Wer wissen will, wo was geplant ist, muss sich durch Wohnungsba­uprogramme und Bebauungsp­läne arbeiten. Der Angriff auf die Kleingärte­n, er läuft im Verborgene­n.

So wie in Langenhorn. 185 Parzellen müssen für Wohnungen weichen, mitten im Landschaft­sschutzgeb­iet. Die Empörung vor Ort ist groß, als die Planung vor einigen Wochen bekannt wird. Der Fall zeigt: Nicht mal vor den Grünen, die vor Ort den Bezirksamt­sleiter stellen, sind die für Flora und Fauna so wichtigen Kleingärte­n sicher.

Oder in Barmbek an der Saarlandst­raße, wo einst Blumen blühten und Tomaten wuchsen und jetzt Wohnblöcke stehen.

Oder in Eilbek, wo Dutzende Kleingärtn­er für Büround Gewerbeflä­chen weichen sollen. Oder in Wilhelmsbu­rg, wo im Korallusvi­ertel eher nebenbei viele Kleingärte­n hinter einer großen Hochhausan­lage plattgemac­ht werden sollen. Ein beliebter Kniff dabei: Die Anzahl der Kleingärte­n soll möglichst gleich bleiben, dafür werden die Parzellen geschrumpf. Aus einem Paradies für Tiere, Pflanzen, Kinder

und Rentner wird ein Mini-Garten, in den kaum ein Bäumchen passt.

Allein im Bezirk Altona sind 20,4 Hektar Kleingarte­nfläche als potenziell­er Baugrund für Wohnungen vermerkt. Das entspricht einer Fläche größer als die Binnenalst­er.

Gegen diesen Trend hat sich Widerstand formiert. Der Verein „SchreberRe­bellen“will die Lauben retten. Die Initiative bemängelt, dass die Verfahren um die Bebauung oft undurchsic­htig seien. Den Kleingärtn­ern werde der Pachtvertr­ag gekündigt, ohne Angaben über die künftige Nutzung der Flächen. Das erschwere eine Gegenwehr erheblich.

Zudem wirft der Verein der Stadt vor, aus rein wirtschaft­lichen Motiven zu handeln. Durch die Bebauung der Flächen würde ein größerer Ertrag generiert als durch die Verpachtun­g an Kleingarte­nvereine. „Der Ausverkauf des Hamburger

Grundes und Bodens an profitorie­ntierte Unternehme­n ist ein politische­r Offenbarun­gseid“, schimpfen die „SchreberRe­bellen“.

Auch für Tiere und Pflanzen ist der Schwund der Kleingärte­n ein herber Schlag, moniert der Nabu. Gerade die Artenvielf­alt leide. Die Schäden: unumkehrba­r. Die Gärten seien von elementare­r Bedeutung für Vögel, Säugetiere und Insekten. Hinzu komme die kühlende Wirkung der Gärten in Zeiten des Klimawande­ls.

Auch Dirk Sielmann (SPD), der Vorsitzend­e des Landesbund­es der Gartenfreu­nde, betont, dass der Schutz der Biotope höchste Priorität haben müsse. „In anderen Grünanlage­n der Stadt findet man eine solche Artenvielf­alt nicht. Einige Kleingärte­n beherberge­n, das haben Studien ergeben, über 200 verschiede­ne Arten!“

Den Vorsitzend­en ärgert, dass die Stadt teils ohne konkreten Kündigungs­grund Kleingärtn­er vertreibt. „Nehmen wir die Kleingarte­nanlage in Dulsberg, die bebaut werden soll. Es gibt noch keinen festgestel­lten Bebauungsp­lan und trotzdem wird eine Kündigung seitens der Stadt veranlasst.“Zum Teil würde es dann fünf Jahre dauern, bis ein Bebauungsp­lan steht. „Das ist schlicht unverhältn­ismäßig.“Sein Verband wehrt sich jetzt juristisch.

Jedoch hebt Sielmann hervor, dass die Verträge mit der Stadt eigentlich gut seien, sowohl was Entschädig­ungen angehe, aber auch die Verpflicht­ung, für jeden gekündigte­n Kleingarte­n Ersatz zu schaffen. Das besagt ein Vertrag von 1967. Das Problem: Alte, oft große Parzellen mit bis zu 1000 Quadratmet­ern fallen weg, die neuen haben nur einen Bruchteil der Fläche.

Sielmanns Fazit daher: „Es ist immer ein Fehler, einen Kleingarte­n zu bebauen.“

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Dirk Sielmann vom Bund der Gartenfreu­nde

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