Hamburger Morgenpost

Der Ego-Schlumpf

Olaf Scholz stichelt ohne Unterlass – und nervt andere damit tierisch. Wohin führt sein Übermut?

- GELI TANGERMANN geli.tangermann@mopo.de

Wenn Olaf Scholz lächelt, werden seine politische­n Gegner fuchsteufe­lswild. Er kneift dann die Augen zusammen, zieht die Augenbraue­n hoch und schon ist da der Zorn beim Gegenüber. „Schlumpfig“, nannte Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) dieses Grinsen – auch andere Mitstreite­r hat die betont gute Laune des Vize-Kanzlers schon ins Stimmungst­ief gestürzt. Scholz weiß um diese Gabe. Und er setzt sie gezielt ein.

Olaf Scholz, SPD-Kanzlerkan­didat, Bundesfina­nzminister und Ex-Bürgermeis­ter von Hamburg, hatte noch nie ein Problem mit seinem Selbstbewu­sstsein, doch seit den Landtagswa­hlen am Wochenende blüht sein Siegergrin­sen noch einmal ganz neu auf.

Wo andere die SPD dafür belächeln, dass sie angesichts der Umfragewer­te auf Bundeseben­e überhaupt einen Kanzlerkan­didaten aufgestell­t hat, sieht sich Olaf Scholz bereits mit einem Fuß im Kanzleramt – das sagt er ganz offen und er sagt es immer wieder. Doch wie berechtigt ist diese betonte Selbstsich­erheit?

Ex-Bundesinne­nminister Thomas de Maizière hat da seine eigene Theorie. Der Sonntagabe­nd nach der Wahl war schon recht fortgeschr­itten, als der CDU-Politiker bei „Anne Will“trocken in Richtung des Vizekanzle­rs raunte: „Manchmal ist die Grenze zwischen Selbstbewu­sstsein und Übermut schmal.“Als Partei, die bei 15, 16 oder 17 Prozent liege, einen Kanzlerkan­didaten aufzustell­en, stichelte de Maizière – das finde er schon „mutig“.

Tatsächlic­h rangieren die Sozialdemo­kraten auf Bundeseben­e bei Werten um die 16 Prozent, Tendenz: stagnieren­d. Will die SPD nach der Bundestags­wahl ernsthaft mitreden, muss sie nicht nur auf eine weitere Talfahrt der durch die Maskenaffä­re gebeutelte­n Union hoffen. Sondern die Sozialdemo­kraten müssen vor allem die Grünen überholen – was bei aktueller Betrachtun­g der Lage die weitaus größere Hürde darstellt.

Denn die Grünen sind mit Annalena Baerbock und Robert Habeck im Superwahlj­ahr bisher die größten Gewinner. Dennoch gehe seine Partei als „Underdog“in die Bundestags­wahl, so Habeck. Während Olaf Scholz seine Sozis klar im Aufwind sieht. Die Ergebnisse hätten „der SPD als Ganzes Flügel verliehen“. Habeck und Scholz. Zwei große Egos – doch der Übermut überwiegt beim SPD-Mann.

Wer Scholz aus seiner Zeit als Hamburger Bürgermeis­ter kennt, weiß, dass er Fehler macht, wenn er sich am sichersten fühlt. So galten die Olympische­n Spiele an der Elbe lange als eines seiner Herzenspro­jekte – bis die Stadt dagegen stimmte. Als Scholz 2017 vollmundig ankündigte, der G20-Gipfel werde die Bürger nicht mehr tangieren als der Hafengebur­tstag, brannte am Ende die Schanze.

So mancher fragt sich seitdem, wie er das immer wieder schafft: aufstehen, schütteln, weitermach­en. Spätestens als ihm seine eigene Partei den Vorsitz verweigert­e, sagten viele Olaf Scholz das politische Ende voraus. Dann wurde er Kanzlerkan­didat.

Und – auch das gehört zur Wahrheit: Der Ausgang der beiden Landtagswa­hlen hat gezeigt, dass es Mehrheiten ohne die Union geben kann. Den wiederholt­en Wahlsieg seiner Parteifreu­ndin Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz sieht Scholz längst als Blaupause für die Wahl im September, ihre erfolgreic­he Ampelkoali­tion als mögliches Bündnis auch für die große Bühne in Berlin. Malu Dreyer gewann vor allem als Malu Dreyer. Und wer würde sich eine Personenwa­hl auch auf Bundeseben­e zutrauen, wenn nicht Olaf Scholz?

Die Krise der Union, die nach der Maskenaffä­re mehrere Rücktritte in der Bundesfrak­tion zu beklagen hat, ist dabei für den „listigen Schlumpf“ein gefundenes Fressen. Und so stichelt Scholz längst auch gegen die eigenen Kabinettsk­ollegen. Es wirkt. CDU-Chef Armin Laschet zumindest ist über die Kritik des Vizekanzle­rs an dem Corona-Kurs der Bundesregi­erung ganz offenkundi­g erzürnt – solchen Unmut öffentlich zu äußern sei „mit den Regeln guten Regierens nicht zu vereinbare­n“.

Und Olaf Scholz? Dürfte der Unmut des potenziell­en Konkurrent­en ums Kanzleramt wenig jucken. Er wird weiter grinsen, er wird weiter sticheln – es ist die Rolle, die er gefunden hat. Denn Olaf Scholz, und das hat er Laschet voraus, hat nichts zu verlieren.

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Das Grinsen provoziert den politische­n Gegner – Olaf Scholz (SPD) nutzt das für sich.
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Voll auf Erfolgskur­s: die Grünen-Co-Chefs Annalena Baerbock und Robert Habeck

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