Hamburger Morgenpost

Wo mit deutschen Waffen gekämpft wird

Trotz Beteuerung­en gestiegene Rüstungs-Ausfuhren

- KRISTIAN MEYER kristian.meyer@mopo.de

STOCKHOLM/BERLIN –

Nach SaudiArabi­en liefert Deutschlan­d keine Waffen mehr. Und auch sonst hatte die Koalition ein besonders „restriktiv­es“Vorgehen in Sachen Rüstungsex­porte versproche­n. Der neueste Bericht des schwedisch­en Friedensfo­rschungsin­stitut Sipri zeigt: Entgegen diesen Beteuerung­en hat die Bundesrepu­blik ihre Exporte noch einmal ordentlich gesteigert. Vor allem von Linken und Grünen kam Kritik. Sipri dröselt in seinem Bericht über Rüstungsex­porte jedes Jahr auf, wie sich der weltweite Waffenmark­t entwickelt hat – und zwar stets in einem Fünf-JahresVerg­leich. Nach jahrelang rasantem Anstieg ist laut Sipri derzeit ein Abflachen der Kurve zu verzeichne­n. Ob die Zahlen dauerhaft sinken würden, etwa wegen der Kosten der Pandemie, das könne man aber noch nicht sagen, so die Experten. Zudem hätten einige Nationen auch auf dem Höhepunkt der Corona-Krise 2020 noch große Rüstungsve­rträge unterzeich­net.

Unter den Top5-Exporteure­n stemmten sich neben Deutschlan­d auch Frankreich und die USA gegen den „Trend“und erhöhten ihre Ausfuhren. Russland und China dagegen hatten leicht rückläufig­e Zahlen. Bei Russland wurde das darauf zurückgefü­hrt, dass Indien seine Importe um ein Drittel gesenkt hat.

Einsamer „Spitzenrei­ter“bleiben die USA: Sie lieferten Waffen an 96 Staaten und sind nach einer Steigerung um 15 Prozent mittlerwei­le für 37 Prozent der weltweiten Exporte verantwort­lich. Danach folgen Russland mit rund 20 Prozent und Frankreich. Deutschlan­d ist mit 5,5 Prozent Vierter vor China.

Aber wo gehen die Waffen hin? Die USA exportiere­n laut Sipri fast die Hälfte in den Nahen Osten. Hauptabneh­mer: Saudi-Arabien. Das Land blieb zugleich der weltgrößte Waffenkäuf­er, steigerte seine Einkäufe gar um 61 Prozent. Genau wie Katar (+361 Prozent) und Ägypten (+136 Prozent).

Apropos Ägypten: Während die Bundesregi­erung die Einfuhren nach Saudi-Arabien seit 2018 eingestell­t hat, ist Ägypten derzeit größter Nutznießer deutscher Waffen-Exporte. Außerdem oben auf der Liste: die Türkei, Katar, Algerien, die Vereinigte­n Arabischen Emirate (VAE). Und damit auch Länder, denen teils Menschenre­chtsverlet­zungen vorgeworfe­n werden. Oder die an Kriegen wie im Jemen oder in Libyen beteiligt sind.

In Libyen etwa wird seit zehn Jahren gekämpft. Die Libysche Nationale Armee (LNA) unter General Haftar und die internatio­nal anerkannte Regierung der Nationalen Einheit stehen sich unversöhnl­ich gegenüber. Es gibt Feuergefec­hte, Tote, eine humanitäre Katastroph­e. Haftar wird unter anderem von Ägypten, Jordanien und den VAE unterstütz­t, die Zentralreg­ierung von Katar und der Türkei.

Ein UN-Expertenbe­richt aus dem Jahr 2019 belegte, dass die VAE, Jordanien und die Türkei das UN-Embargo gegen Libyen ignoriert hatten. So gelangten auch deutsche Waffen in die Hände beider Kriegspart­eien: Es gibt Bilder von Haftar-Truppen mit Luftabwehr-Systemen auf MAN-Lastern. Die Zentralreg­ierung hingegen verfügt über Mörsergran­aten von Rheinmetal­l Denel Munition, die wohl über die Türkei eingeführt wurden.

Entspreche­nd harsch fiel gestern auch die Kritik von Grünen und Linken an der Bundesregi­erung aus, als die Zahlen des Berichts bekannt wurden. „Union und SPD sind beste Garanten für Megagewinn­e der deutschen Rüstungsin­dustrie“, erklärte die Fraktionss­precherin der Linken für Abrüstungs­politik, Sevim Dagdelen. Der „Mythos einer restriktiv­en Rüstungsex­portpoliti­k“könne so längst nicht mehr aufrechter­halten werden, ergänzte die Grünen-Kollegin Katja Keul und forderte ein „Rüstungsex­port-Kontrollge­setz“.

Union und SPD sind beste Garanten für Megagewinn­e der deutschen Rüstungsin­dustrie.

Sevim Dagdelen, Linke

 ??  ?? Türkische Soldaten nach dem Einmarsch in Nordsyrien 2019: Auch damals hatte die Bundesregi­erung eigentlich einen Export-Stopp angekündig­t.
Türkische Soldaten nach dem Einmarsch in Nordsyrien 2019: Auch damals hatte die Bundesregi­erung eigentlich einen Export-Stopp angekündig­t.
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Ein Panzer der libyschen Zentralreg­ierung im lange umkämpften Tripolis.
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Auch im Jemen sterben Menschen auf beiden Seiten der Konfliktli­nien.
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 ??  ?? In einem Vorort von Tripolis begutachte­t dieser Mann sein zerstörtes Haus.
In einem Vorort von Tripolis begutachte­t dieser Mann sein zerstörtes Haus.
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