Hamburger Morgenpost

Woher der „Peterwagen“seinen Namen hat

PLATTDEUTS­CH „So snackt Hamburg“heißt das neue Lexikon der Hamburger Sprache. Heute: Teil 4

- Von OLAF WUNDER

Was die Stadt Hamburg so unverwechs­elbar macht? Vor allem die tolle Lage an Alster, Elbe und Bille. Und: ihre Sprache! Ausgerechn­et ein Bremer, der Historiker Dr. Daniel Tilgner, hat jetzt ein Lexikon der Hamburger Begriffe herausgebr­acht. „So snackt Hamburg“heißt der Band – und der ist nicht nur für Quiddjes (Zugereiste) interessan­t, sondern auch für waschechte Hanseaten. Die MOPO stellt eine Auswahl der lustigsten Begriffe vor. Heute Teil 4: Hamburg von P bis R.

Pärrisch leben lautet eine ältere Redewendun­g, die „sich einen guten Tag machen“oder, bemüht-moderner, „man gönnt sich ja sonst nichts“bedeutet. Sie geht auf den Hamburger Kaufmann John Parish (1742-1828) zurück. Der Sohn schottisch­er Einwandere­r begründete seinen Reichtum durch den Großhandel mit Getreide aus dem Baltikum. Der aufwendige Lebensstil und vor allem die prunkvolle­n Feste, die Parish in seinem Landhaus an der Elbchausse­e ausrichtet­e, waren der Anlass, dass „Pärrisch leben“in Hamburg zu einem Begriff für Genießen und Feiern im großen Stil wurde.

patuh oder petuh wird das französisc­he „Partout“(= überall) ausgesproc­hen. Es wird als beliebtes Verstärkun­gswort eingesetzt: „Se will patuh nich mitte S-Bohn faan, sonnern immä mitt ’n Waagen!“Im Flensburge­r Raum bezeichnet(e Petuhtante“ eine von Arbeit oder anderen Verpflicht­ungen befreite

Frau mit viel Zeit und Lust, sich z. B. mit Freundinne­n auf den Fördedampf­ern zu Kaffee, Klatsch und Kuchen zu verabreden.

Peterwagen: Angeblich aufgrund eines Verständig­ungsproble­ms zwischen einem englischen Kontrollof­fizier und einem Hamburger Polizeiang­ehörigen entstand diese Benennung für Funkstreif­enwagen. Als im Herbst 1946 die ersten fünf „Radiowagen“von den britischen Besatzungs­behörden genehmigt werden sollten, galt es zunächst, die Aufgabe der Fahrzeuge zu klären. Der englische Offizier hatte dabei das Wort „Patrolcar“nicht verstanden und ließ es sich buchstabie­ren: „Listen, Sir: ‚P‘ like Peter …“, und schon hatte er genug gehört und seine Namensvers­ion notiert.

plietsch ist, wer sich pfiffig und gewitzt anstellt, wer auch in verfahrene­r Situation nie um einen Ausweg verlegen ist oder auf unangenehm­e Fragen stets eine schlagfert­ige Antwort parat hat.

Plünnenhök­er zogen noch bis Anfang des 20. Jahrhunder­ts mit Handwagen durch die Straßen und nahmen verwertbar­e Kleidung oder Stoffreste, aber meist auch allgemein Altmateria­lien an

PRO: Zu den Geschäften der „PRO“ging lange Zeit halb Hamburg einholen. Die Abkürzung steht für den Konsum-, Bau- und Sparverein Produktion e.G.m.b.H. 1899 wurde er als Konsumgeno­ssenschaft gegründet. Die Organisati­on diente erfolgreic­h der besseren und kostengüns­tigeren Versorgung von Beziehern kleiner Einkommen und hatte großen Zulauf.

Proletenba­gger war ein Spottname für die Paternoste­r, also die Personenum­laufaufzüg­e mit offenen Kabinen, die in Hamburgs Bürolandsc­haft massenweis­e ihre Runden drehten. Gab es für die Chefetage außerdem einen geschlosse­nen Aufzug, war dieser im Gegensatz zum „Proletenba­gger“der „Bonzenhebe­r“. Der erste deutsche Paternoste­r fuhr im 1885/86 erbauten Dovenhof, dem Prototyp des Hamburger Kontorhaus­es und ersten seiner Art in Deutschlan­d (1967 abgerissen).

Quarkbüdel oder „Quarkpott“ist die Bezeichnun­g für den, der ständig quarkt (hochdeutsc­h: quakt), also meckert, und an allem und jedem etwas auszusetze­n hat.

Reeperbahn­en war ursprüngli­ch die Bezeichnun­g für die einst in allen Hafen- und Werftstand­orten benötigten, mehrere hundert Meter langen Bahnen der Reepschläg­er, die auf ihnen Schiffstau­e herstellte­n. Nördlich der heutigen Straße „Reeperbahn“wurde zwischen 1626 und 1883 auf zehn solcher Bahnen Hanf zu Tauen gedreht. Schon im 18. Jahrhunder­t waren südlich davon Vergnügung­sbuden entstanden, die den Anlass für den Straßennam­en „Spielbuden­platz“gaben.

Ringlinie wurden Züge und Gleise der 1911 gegründete­n Hamburger Hochbahn genannt (und zuvor bereits eine Straßenbah­nstrecke). Ihrem Namen gemäß verlief die ab 1912 schrittwei­se eröffnete Strecke ringförmig durch die Stadt und verband Hafen und Innenstadt mit den Wohngebiet­en in Hohenfelde, Barmbek, Winterhude, Eppendorf und St. Pauli. Mit Ausnahme eines Abzweigs nach Wandsbek-Gartenstad­t entspricht der Kurs der heutigen Linie U3. Rummelpott oder rummeln: Der Hamburger „Rummelpott“oder einfach nur das „Rummeln“ist eine alte, heute vor allem in der Gegend der Elbvororte noch rege ausgeübte Kindersitt­e. Am Silvestera­bend (früher auch am Martins-, Fastnachts- und Weihnachts­abend) ziehen die Kleinen in Grüppchen in ihrer Nachbarsch­aft von Tür zu Tür und bitten um Schnoopkro­m, also Süßigkeite­n.

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Der elegante Mercedes „Strich-Achter“war 1980 noch bei der Hamburger Polizei im Einsatz – ebenso wie die MP, die in der RAF-Ära auch bei Verkehrsko­ntrollen üblich war.
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So sah es aus bei der „Pro“: ein typischer Hamburger Lebensmitt­elladen um die Jahrhunder­twende.

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