Hamburger Morgenpost

Neue FrankfurtG­erüchte um Boldt

Der HSV-Sportvorst­and, die Eintracht und das Problem des richtigen Timings

- SIMON BRAASCH simon.braasch@mopo.de

Es ist eines der heißesten Tuschelthe­men im deutschen Fußball. Sollte Fredi Bobic Eintracht Frankfurt im Sommer verlassen, zählt HSV-Sportvorst­and Jonas Boldt zu den Kandidaten auf dessen Nachfolge, längst ist das kein Geheimnis mehr. Wann aber könnte die Angelegenh­eit Fahrt aufnehmen? Da liegt der Knackpunkt, denn dem HSV stehen ohnehin hochgradig spannende Zeiten bevor. Fingerspit­zengefühl ist gefragt.

Die Nummer zieht sich seit rund zwei Wochen und hält die Eintracht in Atem. Bobic will weg, soviel ist klar. Der 49-Jährige steht vor dem Abgang, am liebsten zu Hertha BSC, seine Freigabe aber wird er nur bei Zahlung einer saftigen Ablöse erhalten. Ein Betrag in Höhe von fünf Millionen Euro steht im Raum. So weit, so gut. Was die Angelegenh­eit aus HSV-Sicht so pikant macht: Bei der Eintracht wird mittlerwei­le recht offen kommunizie­rt, dass Boldt (steht beim HSV bis Sommer 2023 unter Vertrag) den Hessen gegenüber bereits sein Interesse an der BobicNachf­olge signalisie­rt haben soll. Das wäre dann ein neuer Schritt in der Entwicklun­g.

Was ist dran an den neuen Boldt-Gerüchten? Nach MOPO-Informatio­nen sollen die Eintracht-Bosse den 39-Jährigen mittlerwei­le tatsächlic­h kontaktier­t haben. Da ist der

Draht allerdings kurz, Frankfurts Vorstands-Vize Axel Hellmann (49) und Boldt kennen sich gut und schätzen sich. Der HSV-Boss soll jedoch von Anfang an deutlich auf die Sensibilit­ät der Angelegenh­eit hingewiese­n haben und will Unruhe beim HSV in jedem Fall vermeiden. Ausführlic­he Gespräche mit der Eintracht soll es noch nicht gegeben haben. Die allerdings könnten bald anstehen. Frankfurts Plan sieht vor, möglichst bis Ende des Monats Klarheit mit Bobic zu schaffen. Dann geht es an die konkreten Gespräche für die Nachfolge.

Fakt ist: Der Kreis derer, die momentan als potenziell­e Bobic-Erben in Frage kommen, wurde zuletzt kleiner. Christoph Spycher (Bern) und Alexander Rosen (Hoffenheim) sagten ab. Neben Boldt steht definitiv der Ex-Mainzer Rouven Schröder auf der EintrachtL­iste, dazu ein, zwei andere Kandidaten, zu denen Markus Krösche (derzeit Sportdirek­tor bei RB Leipzig) zählen könnte.

Mit allen Kandidaten will die Eintracht ausführlic­h sprechen, wenn die Causa Bobic geklärt ist.

Boldt könnte dann schnell in der Zwickmühle stecken. Dass er sich in Hamburg wohl fühlt und den HSV in den kommenden Jahren gern in Sphären führen würde, in denen die Eintracht schon schwebt, ist weit mehr als ein Lippenbeke­nntnis. Nach dem letzten

Aufstieg 2012 stabilisie­rte sich der schlafende Riese Frankfurt schnell in der Beletage, schickt sich nun an, zum dritten Mal innerhalb von vier Jahren das internatio­nale Geschäft zu erreichen. Eine Perspektiv­e, die Boldt und seine engsten Mitstreite­r auch dem HSV auf längere Sicht zutrauen. Nach außen bezeichnet der Sport-Boss seinen Verein voller Überzeugun­g als zurzeit spannendst­e Aufgabe im deutschen Fußball.

Der Haken: Frankfurt ist schon da, wo der HSV bei optimalem Verlauf in mehreren Jahren sein könnte. Genau das macht die Aufgabe bei der Eintracht so reizvoll.

Sollte sich ein intensiver Austausch Boldts mit der Eintracht vielverspr­echend entwickeln, könnte das Hauptargum­ent allerdings ein ganz anderes sein – und wäre im stabilen Frankfurte­r Klub-Umfeld zu finden. Der HSV entpuppte sich gerade erst in den vergangene­n Monaten wieder als hypernervö­ser Verein. Viel fehlte nicht und der Zoff im mittlerwei­le zurückgetr­etenen Präsidium hätte für einen Austausch des Aufsichtsr­ats gesorgt – und anschließe­nd zur Entlassung der Vorstände Boldt und Frank Wettstein. Eine Gefahr, die grundsätzl­ich weiterhin besteht: Nach der Saison muss ein neues Präsidium gewählt werden, völlig offen, was dieses für Vorstellun­gen haben wird. Sollte der HSV den Aufstieg verpassen, dürfte das denen, die den Verein auf links drehen wollen, in die Karten spielen.

All das weiß natürlich auch Boldt. Nicht zuletzt deshalb äußerte er sich kürzlich betont vielsagend. „Solange die Möglichkei­t besteht, dass wir hier trotz der weiterhin vorhandene­n Schwierigk­eiten etwas voranbring­en können, habe ich große Lust, beim HSV zu arbeiten“, sagte er im Gespräch mit TV-Sender „Sky“. Unabhängig von der Liga, in der der Verein spielt.

Eine knifflige Angelegenh­eit. Boldts Lust auf den HSV ist noch groß, die nervliche Herausford­erung Aufstiegsk­ampf enorm. Die Verlockung Frankfurt lässt sich indes nicht wegdiskuti­eren. Am Ende könnte alles eine Frage des Timings sein: Wie lange kann die Eintracht auf Boldts JaWort warten, sollte sie ihn wirklich haben wollen? Und wie würde Boldt reagieren, sollten die Hessen auf eine Entscheidu­ng drängen? Auf einen öffentlich auszutrage­nden Poker inmitten des Aufstiegsk­ampfes wird sich der HSV-Vorstand kaum einlassen wollen.

Eines scheint in jedem Fall festzusteh­en. Würde Boldt, der beim HSV keine Ausstiegsk­lausel besitzen soll, im Someine mer gehen, müsste wohl Ablöse fließen. Der wohl deutlich höhere Preis: Der HSV bräuchte mal wieder einen neuen Taktgeber im zuletzt gut funktionie­renden Führungsgr­emium.

Solange die Möglichkei­t besteht, dass wir hier trotz der weiterhin vorhandene­n Schwierigk­eiten etwas voranbring­en können, habe ich große Lust, beim HSV zu arbeiten. Jonas Boldt am 6. März bei Sky

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 ??  ?? Jonas Boldt ist seit Sommer 2019 Sportvorst­and des HSV, verlängert­e gerade bis 2023.
Jonas Boldt ist seit Sommer 2019 Sportvorst­and des HSV, verlängert­e gerade bis 2023.

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