Hamburger Morgenpost

Das Milliarden-Geschenk an die Apotheker

Die nächste Pleite des Ministers:

- Von HANNAH BORWITZKY und ANN-CHRISTIN BUSCH

Sechs Euro vom Bund, einen Euro im Einkauf – dank der bundesweit­en Verteilakt­ion von FFP2-Masken sollen Apotheken ein Vermögen geschenkt bekommen haben. Das hat eine Recherche von WDR, NDR und „Süddeutsch­er Zeitung“ergeben. In der MOPO wehren sich Hamburger Apotheker entschiede­n gegen diese Rechnung.

„Ich finde das Prinzip der Ausgabe ja richtig, aber es kam alles sehr spontan. Da wurden die Apotheken von der Politik in der Organisati­on komplett hängen gelassen“, sagt Ramona Kottke, Inhaberin der Apotheke am Paulinenpl­atz auf St. Pauli.

Außerdem sei die Maskenausg­abe ein unglaublic­her Mehraufwan­d und das in einer Situation, die personell sowieso schon angespannt ist. „Teilweise mussten wir eine Kasse nur für die Ausgabe und Beratung zu den FFP2Masken abstellen“, so Kottke.

Die Gratis-Masken aus der Apotheke sollen den Steuerzahl­er am Ende etwa zwei Milliarden Euro gekostet haben. Trotz Bedenken aus den eigenen

Fachabteil­ungen habe

Da wurden die Apotheken von der Politik in der Organisati­on komplett hängen gelassen.

Ramona Kottke, Apothekeri­n

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) einfach die Verteilakt­ion durchgeset­zt. Das soll aus internen Unterlagen hervorgehe­n.

Wie das Gesundheit­sministeri­um auf einen Preis von sechs Euro pro Maske kam, gehe daraus nicht hervor. Außerdem soll weder die Abgabe über den Einzelhand­el noch über Sammelbest­ellungen geprüft worden sein.

„Die Apotheken müssen aus dieser Vergütung nicht nur den Einkauf der Masken, sondern auch alle übrigen Kosten für Vorfinanzi­erung und Personal bestreiten.

Die Vergütung war deshalb keinesfall­s überhöht“, sagt KaiPeter Siemsen, Präsident der Hamburger Apothekerk­ammer. Zuerst seien Schutzmask­en am Markt nur begrenzt verfügbar gewesen und die Preise höher als heute.

Apothekeri­n Kottke sagt, sie habe auch einen hohen Qualitätsa­nspruch an die Masken, schließlic­h gehe es um Risikopati­enten. Sie ist sauer, „weil es jetzt so dargestell­t wird, als ob wir Apotheker uns da alle bereichern wollen“.

Ein Apotheker aus Berlin berichtet auf „Tagesschau.de“: „Wir haben uns dumm und dämlich verdient.“Er habe die Masken für einen Euro bis 1,50 Euro eingekauft und durch das Geld vom Bund Einnahmen von rund 170 000 Euro gemacht.

Für günstig wirtschaft­ende Apotheken könne die Vergütung natürlich „auskömmlic­her“gewesen sein, so Kai-Peter Siemsen. Einige Apotheken hätten die Verteilakt­ion für Selbstmark­eting genutzt, wodurch der falsche Eindruck entstehe, dass die Mehrheit der Betriebe unangemess­ene Gewinne erzielt habe. Das sei „ärgerlich wie bedauerlic­h“.

Personen aus Risikogrup­pen sollten jeweils insgesamt 15 kostenlose FFP2-Masken erhalten, so wurde es Mitte November von Bund und Ländern beschlosse­n. Im Dezember 2020 gab es zunächst für alle Bürger und Bürgerinne­n über 60 Jahren drei Gratis-Masken. Der Bund gab den Apotheken eine Pauschale für die Abgabe der Masken.

Schon damals hagelte es Kritik an der Aktion. Fast 500 Millionen Euro soll der Bund an den Apothekerv­erband überwiesen haben, der das Geld an die Apotheken verteilte. Jede Apotheke habe einen festen Anteil von mehr als 25 000 Euro hieraus erhalten – egal wie viele Masken sie abgab.

In den nächsten Phasen erhielten die Berechtigt­en jeweils zweimal sechs Masken-Gutscheine von der Krankenkas­se, die sie in der Apotheke einlösen konnten. Allein der Druck dieser Gutscheine in der Bundesdruc­kerei soll wiederum mehr als neun Millionen Euro gekostet haben.

Für die ersten sechs Masken sollen die Apotheken pro Person 36 Euro erhalten haben, für die zweiten sechs Masken senkte Spahn die Vergütung auf 23,40 Euro.

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 ??  ?? Jens Spahn (CDU) steht für seine kosteninte­nsive Verteilakt­ion der Schutzmask­en heftig in der Kritik.
Jens Spahn (CDU) steht für seine kosteninte­nsive Verteilakt­ion der Schutzmask­en heftig in der Kritik.
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Ramona Kottke ist Inhaberin der Apotheke am Paulinenpl­atz auf St. Pauli.
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Kai-Peter Siemsen, Präsident der Hamburger Apothekerk­ammer, verteidigt die Aktion.

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