Wie gefährlich ist der neue Kalte Krieg?
Konflikt der Atommächte eskaliert.
WASHINGTON – Das ist so noch nicht einmal im Kalten Krieg passiert: US-Präsident Joe Biden hat seinen russischen Amtskollegen Wladimir Putin öffentlich einen „Mörder“genannt. Die Folge ist eine neue Eiszeit zwischen den beiden Atommächten. Wie weit könnte der Konflikt eskalieren?
Putin hat in der Vergangenheit durchaus schon mit Morden kokettiert: „Wenn unser Geheimdienst versucht hätte, Herrn Nawalny umzubringen, dann hätte er den Job auch zu Ende gebracht“, sagte er beispielsweise vor einigen Monaten zur Vergiftung des Kremlkritikers. Nun hat Biden den mächtigsten Mann Russlands in einem TV-Interview ganz offen einen „Killer“genannt. Die Reaktion folgte prompt. Moskau berief seinen Botschafter aus Washington ab.
Zu der Aussage befragt, antwortete Putin nur, er wünsche Biden „Gesundheit“. Das sei „ganz und gar ernst gemeint“, fügte er hinzu. Der Satz passt gut zu den Erzählungen der russischen Staatsmedien, die groß über das Thema berichten. Dort wird der 78-jährige US-Präsident meist als gebrechlich und leicht verwirrt dargestellt.
Ein Versehen ist die neue Tonlage Bidens aber wohl nicht. Schon im Wahlkampf hatte er angekündigt, mit Russland härter umspringen zu wollen, als dies Donald Trump getan hatte. Der Ex-Präsident stand selbst bei engen Mitarbeitern im Verdacht, irgendwie vom Kreml abhängig zu sein. Trump spielte jeden gegen Moskau erhobenen (und meist gut dokumentierten) Vorwurf herunter. Biden lässt dies nun von den US-Geheimdiensten aufarbeiten. In einem ersten Bericht ging es um die Einmischung Russlands in die US-Wahlen.
Biden hat bereits neue Sanktionen verhängen lassen, möglicherweise folgen bald auch Strafaktionen gegen Putin persönlich. Wie weit diese letztlich gehen werden, ist aber offen. Denn für eine komplette Isolation ist Russland doch zu mächtig. So würde Putin beispielsweise für eine Wiederbelebung des iranischen Atomabkommens gebraucht. Oder für Abrüstungsinitiativen. Die Auswirkungen auf das deutschrussische Pipeline-Projekt „North Stream 2“, das auch Biden ablehnt, könnten dramatisch sein.
In Brüssel erntet der USPräsident für seine Aussagen Zustimmung. „Es gibt leider eine lange Liste gescheiterter und erfolgreicher Mordanschläge gegen kritische und unabhängige Persönlichkeiten in Russland“, erklärte die Sprecherin des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell. „Putin als Präsident trägt letztlich Verantwortung für die russischen Behörden und ihre Handlungen.“
Wie Russland letztlich auf die neue Lage reagiert, lässt sich nur erahnen. Offiziell will der Kreml zwar keine „irreparable Verschlechterung“der Beziehungen zum Westen, wie ein Sprecher mitteilte. Aber gekränkter Stolz ist trotzdem zu spüren. „Wir werden reagieren, wenn sich Amerika nicht entschuldigt“, drohte der einflussreiche Außenpolitiker Konstantin Kosachev. Wie genau, ließ er offen.