Hamburger Morgenpost

Wie gefährlich ist der neue Kalte Krieg?

Konflikt der Atommächte eskaliert.

- CHRISTIAN BURMEISTER christian.burmeister@mopo.de

WASHINGTON – Das ist so noch nicht einmal im Kalten Krieg passiert: US-Präsident Joe Biden hat seinen russischen Amtskolleg­en Wladimir Putin öffentlich einen „Mörder“genannt. Die Folge ist eine neue Eiszeit zwischen den beiden Atommächte­n. Wie weit könnte der Konflikt eskalieren?

Putin hat in der Vergangenh­eit durchaus schon mit Morden kokettiert: „Wenn unser Geheimdien­st versucht hätte, Herrn Nawalny umzubringe­n, dann hätte er den Job auch zu Ende gebracht“, sagte er beispielsw­eise vor einigen Monaten zur Vergiftung des Kremlkriti­kers. Nun hat Biden den mächtigste­n Mann Russlands in einem TV-Interview ganz offen einen „Killer“genannt. Die Reaktion folgte prompt. Moskau berief seinen Botschafte­r aus Washington ab.

Zu der Aussage befragt, antwortete Putin nur, er wünsche Biden „Gesundheit“. Das sei „ganz und gar ernst gemeint“, fügte er hinzu. Der Satz passt gut zu den Erzählunge­n der russischen Staatsmedi­en, die groß über das Thema berichten. Dort wird der 78-jährige US-Präsident meist als gebrechlic­h und leicht verwirrt dargestell­t.

Ein Versehen ist die neue Tonlage Bidens aber wohl nicht. Schon im Wahlkampf hatte er angekündig­t, mit Russland härter umspringen zu wollen, als dies Donald Trump getan hatte. Der Ex-Präsident stand selbst bei engen Mitarbeite­rn im Verdacht, irgendwie vom Kreml abhängig zu sein. Trump spielte jeden gegen Moskau erhobenen (und meist gut dokumentie­rten) Vorwurf herunter. Biden lässt dies nun von den US-Geheimdien­sten aufarbeite­n. In einem ersten Bericht ging es um die Einmischun­g Russlands in die US-Wahlen.

Biden hat bereits neue Sanktionen verhängen lassen, möglicherw­eise folgen bald auch Strafaktio­nen gegen Putin persönlich. Wie weit diese letztlich gehen werden, ist aber offen. Denn für eine komplette Isolation ist Russland doch zu mächtig. So würde Putin beispielsw­eise für eine Wiederbele­bung des iranischen Atomabkomm­ens gebraucht. Oder für Abrüstungs­initiative­n. Die Auswirkung­en auf das deutschrus­sische Pipeline-Projekt „North Stream 2“, das auch Biden ablehnt, könnten dramatisch sein.

In Brüssel erntet der USPräsiden­t für seine Aussagen Zustimmung. „Es gibt leider eine lange Liste gescheiter­ter und erfolgreic­her Mordanschl­äge gegen kritische und unabhängig­e Persönlich­keiten in Russland“, erklärte die Sprecherin des EU-Außenbeauf­tragten Josep Borrell. „Putin als Präsident trägt letztlich Verantwort­ung für die russischen Behörden und ihre Handlungen.“

Wie Russland letztlich auf die neue Lage reagiert, lässt sich nur erahnen. Offiziell will der Kreml zwar keine „irreparabl­e Verschlech­terung“der Beziehunge­n zum Westen, wie ein Sprecher mitteilte. Aber gekränkter Stolz ist trotzdem zu spüren. „Wir werden reagieren, wenn sich Amerika nicht entschuldi­gt“, drohte der einflussre­iche Außenpolit­iker Konstantin Kosachev. Wie genau, ließ er offen.

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 ??  ?? Harte Worte in Richtung Kreml-Chef: USPräsiden­t Joe Biden
Harte Worte in Richtung Kreml-Chef: USPräsiden­t Joe Biden
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Ex-US-Präsident Donald Trump (r.) weigerte sich in seiner Amtszeit hartnäckig, Wladimir Putin auch nur zu kritisiere­n.
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