ST. GEORG
Hinterm Hauptbahnhof: Die ganze Welt in einem Viertel
Früher als Rotlicht- und Drogenviertel verrufen, hat sich St. Georg zum bunten und internationalen Stadtteil entwickelt. Moscheen neben Kirchen, verschleierte Frauen laufen an Schwulenbars vorbei, dazu ein überwältigendes Angebot von Restaurants, Geschäften, Theatern und Kinos. Wir erkunden den Stadtteil, der im Zeichen des Regenbogens steht.
Hamburger Tradition
Vom Hauptbahnhof Süd, vorbei am Museum für Kunst und Gewerbe, biegen wir links in die Kurt-Schumacher-Allee ein und kommen zum Gewerkschaftshaus Besenbinderhof. Die Tür ist geöffnet und wir werfen einen kurzen Blick in den frisch renovierten Jugendstil-Musiksaal, der für Konzerte und Konferenzen genutzt wird. 1961 wurde hier der Silvesterklassiker „Dinner For One“gedreht. In einer Kellerwohnung im Besenbinderhof lebte von 1920 bis 1924 die Tänzerin Lavinia Schulz, die weltweit einzigartige Ganzkörpermasken entwarf (zu sehen im Museum für Kunst und Gewerbe). Wir folgen der Straße, überqueren die Adenauerallee, biegen links in die Böckmannstraße ein. Seit 1931 kaufen Hamburger beim Herrenausstatter Policke, einer Institution, bezahlbare Anzüge.
Kirche und Moschee
Während wir die Danziger Straße über einen bunten Regenbogen überqueren, der den Zebrastreifen ersetzt, sehen wir die grün-weiß gemusterten Minarette der Centrums Moschee. Wir biegen rechts in den Steindamm und links in die Danziger Straße ein. Vorbei an „Oriental Sweets“, einem Paradies für alle, die libanesische Süßigkeiten aus Datteln, Nüssen, Pistazien und Zuckerwasser mögen, sehen wir den katholischen Mariendom, 1893 im Stil einer romanischen Kirche mit goldener Apsis erbaut.
Sehenswerter Supermarkt
Am Ende der Danziger Straße halten wir uns rechts, werfen in der Langen Reihe einen Blick auf die Nummer 71 (hier wurde der Schauspieler Hans Albers geboren), nehmen nebenan bei „Weinkauf St. Georg“Espresso aus Neapel mit und schlendern weiter bis zum Edeka-Markt. Jürgen Eberhardt, Filialleiter bei Niemerszein, ist überzeugt: „Ich arbeite in Hamburgs schönstem Supermarkt.“Recht hat er. Die Süßwarenabteilung mit historischen Fliesen und einer Decke aus einem Leipziger Abrisshaus erinnert an einen Kaufmannsladen aus den 1920er Jahren und stammt größtenteils aus dem Fundus von Bernhard Paul, dem Gründer des Zirkus Roncalli. Wir gehen bis zur Schmilinskystraße über die Lange Reihe zurück, biegen rechts ab und halten uns bei der „Koppel“links.
Brasilianische Fabeltiere
Koppel 66, eine ehemalige Maschinenfabrik, ist heute eine Adresse für Künstler und Kunstfreunde. In der Werkstatt von Tita do Rêgo Silva brennt Licht. Nixen, Teufel, Gürteltiere – brasilianische Fabelwesen bevölkern ihre farbenfrohen Holzschnitte. Besucher sind jederzeit willkommen.
Bollywood am Hansaplatz
Wir folgen der Koppel bis zum St. Georgs Kirchhof. Kunst auch hier. 24 rostige Schiffsbleche und eine umstrittene Skulptur des Bildhauers Horst Hellinger stehen vor der barocken Kirche. Ein ungewöhnlicher Kontrast, der zu St. Georg passt. Wir halten uns links, kommen über Spadenteich und Baumeisterstraße zum lange wegen Drogenhandels verrufenen Hansaplatz mit dem 17 Meter hohen Hansabrunnen. An der Ecke Stralsunder Straße leuchtet es bunt –im Bollywood-Dostana-Store gibt es neben indischen Saris auch Gewürze, Basmatireis und Chutneys. Wir gehen weiter bis zum Steindamm, halten uns rechts und kommen, vorbei am Hansatheater, wieder zum Hauptbahnhof. Und haben noch längst nicht alles von St. Georg gesehen.