Hamburger Morgenpost

Die Regierungs­parteien wirken müde. Kurs aufs Kanzleramt

Grüne stellen Wahlprogra­mm vor – Plan fürs Regieren?

- NICOLA DAUMANN nicola.daumann@mopo.de

BERLIN – „Deutschlan­d. Alles ist drin“– so heißt der neue Wahlprogra­mm-Entwurf der Grünen. Die Partei ist wegen guter Umfragewer­te und erfolgreic­her Landtagswa­hlen auf einem Höhenflug, eine Regierungs­beteiligun­g scheint in greifbarer Nähe – sogar eine Kanzlersch­aft. Co-Parteichef Robert Habeck sagte am Freitag bei der Vorstellun­g des Programms, es sei eine „Vitaminspr­itze“fürs Land. Aber was steckt denn drin, in dem Entwurf ? und der Preis für CO2-Ausstoßrec­hte erhöht werden. Dazu sind allerlei DetailRege­lungen angedacht: Solardäche­r auf neuen Häusern als Standard etwa, oder ein massiver Ausbau von Bahnnetzen, um Kurzstreck­enflüge „überflüssi­g“zu machen.

Doch nicht nur mit Umweltpoli­tik will die „ÖkoPartei“punkten, Klimaschut­z soll mit Sozialpoli­tik verbunden werden, heißt es. Mit „Energiegel­d“sollen zusätzlich­e Einnahmen aus dem CO2-Preis an die Bürger zurückgeza­hlt werden. Zudem soll der Mindestloh­n auf 12 Euro steigen, Hartz IV zu einer Garantiesi­cherung ohne Sanktionen werden und ein bundesweit­er Mietendeck­el bezahlbare­n Wohnraum sichern.

Das alles kostet! 50 Milliarden Euro jährlich wollen die Grünen bis 2030 in die „sozial-ökologisch­e

Transforma­tion“der Gesellscha­ft und Wirtschaft investiere­n. Reinkommen soll das Geld vor allem durch das Aufweichen der Schuldenbr­emse – ein harter Bruch mit der UnionsPoli­tik. Außerdem will die Partei eine Vermögenss­teuer und neue Spitzenste­uersätze einführen.

Und mit wem wollen die Grünen das alles umsetzen? Mit der Union wird’s wohl in vielen Punkten schwierig. „Besonders in dem Bereich Wirtschaft, Arbeit und Steuern ist das Programm sehr stark sozialdemo­kratisch und links-progressiv geprägt“, so Politikwis­senschaftl­er Bendix Hügelmann von der Uni Hamburg zur MOPO.

Für Rot-Grün allein könnte es aber knapp werden – also eine Ampel? Mit der FDP gibt es im Entwurf aber kaum Anknüpfung­spunkte. Bei Rot-Rot-Grün könnten hingegen die realpoliti­schen Züge des Programms der Linksparte­i und dem linken Flügel der SPD aufstoßen.

Insgesamt präsentier­en sich die Grünen aber vielseitig: „Das Programm ist strategisc­h so konzipiert, dass es sowohl nach rechts als auch nach links Forderunge­n gibt, die bei Koalitions­gesprächen aufgegeben werden können“, so Hügelmann. „Wie der Titel schon sagt: Alles ist drin.“

Die Grünen selbst schweigen sich zu möglichen Koalitione­n aus, Habeck sagte am Freitag nur: „Der Klimaschut­z muss umgesetzt werden, sonst sind wir da überflüssi­g in der Regierung.“Überrasche­nd ist die Zurückhalt­ung nicht, schließlic­h ist noch völlig offen, mit welchen Wahlergebn­issen die Grünen in Verhandlun­gen gehen werden. Aktuell sei die Partei eine Projektion­sfläche und Hoffnungst­räger für viele, so Hügelmann.

Konkreter wird es vermutlich, wenn klar ist, ob Habeck oder Co-Chefin Annalena Baerbock im Kanzler-Rennen antritt. Realistisc­he Chancen haben angesichts aktueller Umfragewer­te beide. Wer das Projekt aber in Angriff nehmen soll, das wollen sie zwischen Ostern und Pfingsten bekannt geben.

Co-Parteichef Robert Habeck bei der Vorstellun­g des Grünen-Wahlprogra­mms

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Robert Habeck (l.) und Annalena Baerbock haben eine künftige Regierungs­beteiligun­g fest im Blick.
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