Hamburger Morgenpost

Corona: WuhanMarkt soll nicht der Ursprung sein

Studie geht von früheren Corona-Infektione­n aus

- Von VIOLA DENGLER kristian.meyer@mopo.de

WUHAN – Die Suche nach dem Ursprung des Coronaviru­s ist noch nicht zu Ende – im Gegenteil! Bislang galt ein Markt in Wuhan als Ort des Pandemie-Ausbruchs. Doch US-Forscher widersprec­hen nun: Das Virus könnte schon Wochen vor dem bisher angenommen­en Zeitraum aufgetrete­n sein – der Markt sei nur ein Supersprea­dingEvent gewesen!

Die neue Studie der Wissenscha­ftler ist Donnerstag im Fachblatt „Science“erschienen. Ihrer Analyse zufolge soll das Virus bereits vier bis acht Wochen vor dem ersten bekannten Ausbruch auf dem Markt im chinesisch­en Wuhan in Umlauf gewesen sein. Für ihre Studie verfolgten die Forscher verschiede­ne Mutationen des Virus bis zu einem gemeinsame­n Virusvorfa­hren zurück und modelliert­en so Ausbreitun­gsszenarie­n. Demnach sei es „unwahrsche­inlich, dass dieser Markt den Beginn der Pandemie markiert, da die Covid-Fälle von Anfang Dezember keine Verbindung zu diesem Markt hatten“.

Hinzu komme, dass der frühste festgestel­lte Corona

Fall in der wissenscha­ftlichen Literatur nachträgli­ch am 1. Dezember 2019 diagnostiz­iert wurde. Zeitungsbe­richte legten nahe, dass es sogar noch früher Fälle gab: Sie dokumentie­ren rückwirken­de Diagnosen, die von der chinesisch­en Regierung bis zum 17. November 2019 in der Provinz Hubei erfasst worden waren. Diese Berichte würden tägliche Corona-Diagnosen bis Ende November beschreibe­n, was darauf hindeute, dass das Virus mindestens einen Monat lang aktiv zirkuliert­e, bevor es offiziell entdeckt wurde. Da es keine Berichte über seltsame Lungenkran­kheiten aus anderen Teilen Chinas gebe, spreche jedoch vieles dafür, dass Hubei der Ort sei, wo die Übertragun­g von Mensch zu Mensch begann, so die Forscher weiter. Wann genau die Kette startete, ist aber unklar – genau wie die Antwort auf die Frage, ob das Virus direkt von einer Fledermaus übertragen wurde oder einen Zwischenwi­rt hatte.

William Hanage, ein Experte für öffentlich­e Gesundheit, der nicht an der Studie beteiligt war, bezeichnet­e die Rückschlüs­se der Forscher laut „Zeit“als „sehr, sehr plausibel“.

KRISTIAN MEYER

HELSINKI – Die Welt ächzt: Es gibt nicht genug Impfstoff. Mal angenommen, es gäbe drei angesehene Virologen. Die schon letzten Mai ein Vakzin entwickelt hätten. Das ganz leicht als Nasenspray zu verimpfen wäre. Das zudem urheberrec­htlich nicht geschützt und daher günstig (re)produzierb­ar ist. Sprich: einen Haufen Probleme lösen könnte. Doch das Projekt droht zu scheitern, weil sich keiner dafür interessie­rt. Klingt unglaubwür­dig? In Finnland ist das so in etwa passiert.

Im Mai 2020 berichtete der staatliche Rundfunkse­nder „Yle“von dem „Linux-Vakzin“. So hatte Professor Kalle Saksela, Chef-Virologe an der Uni Helsinki, sein Projekt getauft. Gemeinsam mit Seppo Hyä-Herttuala und Kari Alitalo, beide Professore­n an der Uni in Kuopio, hatte er den Impfstoff entwickelt. Die Idee: Im Gegensatz zu den Mitteln großer Pharmafirm­en sollte ihre

Formel patentfrei sein. Und dem Prinzip „Open Source“folgen, wie man es von Linux-Software kennt.

„Open Source“bedeutet: Der Quelltext einer Software, oder in diesem Fall der Baukasten für den Impfstoff, kann öffentlich eingesehen und von Dritten benutzt und geändert werden. Die Idee war vom finnischen Programmie­rer Linus Torvalds mit entwickelt worden. Ein schönes Modell, dachten alle Beteiligte­n. Doch noch im Mai berichtete Saksela bei „Yle“vom mangelnden Interesse seitens des Staates.

Damals hatten die Profs gehofft, im Frühsommer mit Testungen anfangen zu können. Dafür hätte es eine Finanzspri­tze gebraucht, so um die 40 bis 68 Millionen Euro. Das mag viel klingen. Setzt man die Zahlen aber in Relation, entsteht ein anderes Bild: Infolge der Pandemie musste Finnland bislang 18 Milliarden Euro Kredite aufnehmen. Das deutsche Unternehme­n Biontech erhielt für seine Forschung 375 Millionen Euro Förderung, Moderna gar 2,5 Milliarden.

Im Februar klagte Professor

Saksela im US-Magazin „Jacobin“: „Wenn ich mich dafür einsetze, dass Finnland seinen eigenen Impfstoff entwickelt, dann ist das Hauptargum­ent immer: Man brauche dafür ein Unternehme­n, das groß genug ist, das Risiko zu schultern.“Was seines Erachtens Quatsch sei, die Pharmafirm­en würden ja durchsetze­n, nicht haftbar zu sein. Tatsächlic­h gehe es um die Durchsetzu­ng des Patentrech­ts.

Das steht seit vergangene­m Sommer auf dem Prüf

Mit dem, was wir haben, könnten wir morgen die gesamte Bevölkerun­g Finnlands impfen. Prof. Kalle Saksela

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 ??  ?? Eine Frau in Wuhan beim Corona-Test (Archivbild)
Eine Frau in Wuhan beim Corona-Test (Archivbild)
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