Hamburger Morgenpost

So gefährlich ist gestreckte­s Cannabis

DROGEN Rauschmitt­el werden oft mit Zusätzen vermengt – Psychosen drohen

- Von CHARLOTTE NZIMIRO

Cannabis ist die am meisten konsumiert­e illegale Droge in Deutschlan­d – ein Milliarden­geschäft. Zur Gewinnmaxi­mierung werden die Blüten oder das Harz der Hanfpflanz­e immer häufiger mit synthetisc­hen Stoffen gestreckt oder auch mit Blei und Glas versetzt. Eine gefährlich­e Entwicklun­g. Welche Folgen der Konsum haben kann, erklärt der Toxikologe Dr. Lars Wilhelm vom Geesthacht­er LADR-Zentrallab­or Dr. Kramer & Kollegen.

Es gibt legales und illegales Cannabis. Legal erhält man die Droge in Deutschlan­d nur auf Rezept und unter strikten Bedingunge­n. Zudem ist pharmazeut­isches Cannabis streng reguliert und geprüft. Bei dem Stoff, den man von Dealern erhält, ist das Gegenteil der Fall, da er immer häufiger gestreckt ist. Diese Beobachtun­g machten Wissenscha­ftler wie Dr. Lars Wilhelm. Proben, die er von Krankenhäu­sern oder Ärzten erhält, testet er auf synthetisc­he Cannabinoi­de wie den chemischen Wirkstoff MDMB-4en-PINACA. „Wir haben für die Substanz einen Anstieg von 15 Fällen im September auf über 100 Fälle im Januar verzeichne­t“, so der Toxikologe.

In 75 Prozent dieser Proben habe man zusätzlich Wirkstoffe aus der Hanfpflanz­e nachweisen können. Was bedeutet, dass in den Proben neben den chemischen Substanzen auch natürliche Wirkstoffe – sprich echtes Cannabis – enthalten waren. Damit handelt es sich um gestreckte­s „Gras“, wie die Hanfblüten auch genannt werden.

Die Konsumente­n können selbst kaum bis gar nicht ausmachen, ob ihr Cannabis gestreckt wurde, erklärt Wilhelm: „Wenn das synthetisc­he Cannabinoi­d in normaler Dosis zu sich genommen wird, merkt man den Unterschie­d erst mal nicht, da die Chemikalie eine ähnliche Wirkung hat wie natürliche Cannabinoi­de.“

Das Problem beim Strecken ist, dass es keine Gleichmäßi­gkeit gibt und somit auch keine Garantie für eine „normale Dosis“. Laut dem Toxikologe­n werde das Cannabis mit dem synthetisc­hen Wirkstoff besprüht – an manchen Stellen könne also mehr, an anderen weniger landen.

Und: Von den natürliche­n Cannabinoi­den wirkt nur ein Teil, sodass der Effekt nicht vollständi­g eintritt. Die synthetisc­hen Stoffe hingegen entfalten ihre Wirkung in vollem Umfang. „Schlimmste­nfalls kommt es dadurch zu einer Überdosier­ung, die in Psychosen enden kann“, warnt Wilhelm.

Auch bei nicht gestreckte­m Cannabis könne es zu Psychosen kommen, dies komme aber seltener vor: „Bei gestreckte­m Cannabis ist die Gefahr signifikan­t erhöht.“

Eine weitere Folge sind Herz-Kreislauf-Probleme. Denn natürliche als auch synthetisc­he Cannabinoi­de docken zur Wirkungsen­tfaltung an Rezeptoren an. Diese befinden sich nicht nur im Hirn, sondern im ganzen Körper, auch dem Herzmuskel.

Die chemischen Substanzen sind mit nur wenigen Mausklicks bestellt. Erhältlich sind sie im Darknet, „aber auch auf regulären Websites habe ich Angebote gesehen“, erzählt Wilhelm und fährt fort: „Wenn ein Mittel verboten wird, taucht ein neues auf.“

Gestreckt wird, um Zeit und Aufwand zu minimieren und den Gewinn zu maximieren. Verwendet werden dafür Pflanzen, die verfrüht geerntet wurden und deshalb weniger Wirkstoff enthalten. Die billigen Zusätze gaukeln durch ihre starke Wirkung hohe Qualität vor.

„Es werden bei Untersuchu­ngen von Haschischp­roben auch Glassplitt­er oder Blei gefunden. Das wird gemacht, um das Gewicht und damit auch den Preis zu erhöhen“, erklärt Dr. Wilhelm. Die Glassplitt­er würden wahrschein­lich nicht viel ausrichten, solange sie nicht in die Lunge gelangen, aber Blei sei hoch toxisch.

Wilhelm ist besorgt: „Da muss man sich wirklich fragen, wie hoch der Anteil an gestreckte­m Cannabis ist. Viele Cannabisko­nsumenten sind sich der Gefahr gar nicht bewusst!“

Um dem entgegenzu­wirken, klärt er mithilfe von Pädagogen an Schulen über die Gefahren auf – eine Gratwander­ung: „Man muss sensibel vorgehen, sonst weckt man eher Neugier als Vorsicht.“Deshalb findet er Gespräche mit Eltern und Lehrern ebenso wichtig.

Schlimmste­nfalls kommt es zu einer Überdosier­ung, die in Psychosen enden kann. Lars Wilhelm, Toxikologe

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Lars Wilhelm ist Toxikologe am Geesthacht­er LADRZentra­llabor Dr. Kramer & Kollegen.

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