Das große Leiden an der Grenze
MIGRATION Joe Biden will in der Flüchtlingspolitik vieles besser machen als Trump. Doch die Lage ist angespannt
WASHINGTON – Eine Mauer bauen, Eltern und Kinder voneinander trennen – viel mehr ist dem Ex-Präsidenten Donald Trump zur Einwanderungskrise an der Südgrenze zu Mexiko nicht eingefallen. Joe Biden hingegen möchte es besser machen als sein Vorgänger. Doch der Blick an die Grenze heute zeigt: Teilweise hat sich die Lage dort sogar verschlechtert.
Seit Biden im Amt ist, hat sich der Ansturm von Migranten, Flüchtlingen und Asylsuchenden verstärkt, viele kommen über die offene Grenze. Im Februar griffen die US-Grenzbehörden mehr als 100 000 Menschen auf, darunter 9754 unbegleitete Kinder. Wie der „Spiegel“berichtet, sind das fast doppelt so viele wie im Oktober. Die Situation in den überfüllten US-Auffanglagern ist angespannt.
Zwar hätten sich unter dem neuen US-Präsidenten auch einige Aspekte für die Migranten verbessert, viele Regelungen aus der Trump-Ära haben jedoch nach wie vor Bestand.
Der Einwanderungsanwalt der US-Bürgerrechtsorganisation ACLU, Shaw Drake, berichtet dem „Spiegel“, dass Migranten, die seit Ende 2018 auf der mexikanischen Seite der Grenze festsitzen, nun nach und nach in die USA gelassen würden. Dort erwarteten sie faire Asyl-Verfahren.
Doch Vorschriften wie „Title 42“, nach der Migranten an der Grenze zunächst pauschal abgewiesen werden können, existieren immer noch. Offiziell sei diese Regelung wegen der Corona-Pandemie unter Trump ins Leben gerufen worden, doch Drake hält das Virus nur für einen „Vorwand, um die Grenze komplett für Asylbewerber zu schließen“.
Biden habe die Regelung beibehalten. Mit einer Ausnahme: Unbegleitete Kinder werden zurzeit durchgelassen. Die Kinder hätten oft einen Sponsor, der sie in den USA aufnimmt. Das sei mal ein Elternteil, mal ein anderes Familienmitglied oder ein Außenstehender, so Drake gegenüber dem „Spiegel“.
Wenn Kinder jedoch in Begleitung über die Grenze kommen – und es sich dabei nicht um die biologischen Eltern handelt –, werden die Kinder und die Betreuer getrennt. Die Kinder landen alleine im System, während die Erwachsenen teilweise zurück nach Mexiko abgeschoben werden – auch unter Biden.
Über die schrecklichen Zustände in den Auffanglagern unter der TrumpRegierung wurde bereits mehrfach berichtet. Doch noch immer sei die Lage dort nicht wesentlich menschlicher geworden.
Zudem seien die Ansprechpartner unter Biden bislang nicht kooperativer als unter Trump: „Die Biden-Regierung zeigt keine Anzeichen von mehr Transparenz. Die Aufnahmelager sind schwarze Löcher. Alle Anfragen, die Einrichtungen zu besuchen, werden Berichten zufolge bisher abgelehnt“, so der Anwalt.
US-Medien berichteten, die USA hätten den Nachbarn um Unterstützung gebeten. Dieser solle helfen, den stark gestiegenen Andrang von Migranten an der US-Südgrenze einzudämmen.
Mexiko hat deshalb zahlreiche Sicherheitskräfte an seine Südgrenze geschickt, um die Menschen bereits dort zu stoppen. Hunderte Soldaten, Polizisten und Mitarbeiter der Migrationsund Gesundheitsbehörden marschierten am Freitag in der Stadt Tuxtla Gutiérrez nahe der Grenze mit Guatemala auf.
Mexikos Grenzen sind außerdem zunächst für 30 Tage für nicht essenzielle Reisen geschlossen. Das hat das Außenministerium angekündigt. Als Begründung wurde die Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus angegeben. Allerdings galten seit Beginn der Pandemie keine Reisebeschränkungen an Mexikos Südgrenze.