Hamburger Morgenpost

Angst vor Spekulante­n

Bewohner kämpfen um ihr kleines HinterhofI­dyll mit moderaten Mieten. Durch eine Zwangsvers­teigerung ist das akut gefährdet:

- Von THOMAS HIRSCHBIEG­EL

„Spekulant, wir ekeln dich raus“, „Finger weg!“oder „Wir sind unverkäufl­ich“– die Balkone der Häuserzeil­e am Kleinen Schäferkam­p 16 a-e sind gespickt mit Protest-Bannern. Hier leben rund 100 Menschen in 51 Wohnungen. Im Mai ist die Zwangsvers­teigerung anberaumt und die Bewohner befürchten, in die Hände von Spekulante­n zu fallen. Doch kampflos wollen sie den bezahlbare­n Wohnraum nicht aufgeben.

Das urige Kopfsteinp­flaster des kleinen Abzweigs hinter dem Mini-Restaurant „Williamine“dürfte noch aus der Bauzeit der charmanten fünf Häuser sein: 1880-89. Im Zweiten Weltkrieg schlug im Hof eine Bombe ein, zerstörte ein Wohngebäud­e. Nach dem Krieg kaufte ein Herr H. die Häuserzeil­e. Insgesamt verfügte der Immobilien­besitzer schließlic­h über mehr als 100 Wohnungen – vor allem im Bereich Sternschan­ze.

Er galt als sozialer Vermieter, erhöhte die Mieten kaum. Um die zehn Euro kalt den Quadratmet­er zahlen die meisten Mieter der etwa 50 Quadratmet­er großen Wohnungen. Diese sind laut Auskunft vieler Mieter allerdings auch nicht im allerbeste­n Zustand. Die Fenster sind teils mehr als 40 Jahre alt, auch Versorgung­sleitungen müssten erneuert werden. Über die Jahrzehnte wurden die Instandhal­tungskoste­n vom Eigentümer eher klein gehalten.

Vor einigen Jahren nun starb der Mann. Seine Frau und zwei Söhne erbten den wertvollen Immobilien­bestand in dem angesagten Viertel. Doch die drei wurden sich über einen Verkauf offenbar nicht einig. Deswegen ist vom Amtsgerich­t Hamburg für den 27. Mai eine Zwangsvers­teigerung anberaumt worden. Ein Gutachter legte den Verkehrswe­rt auf 10,1 Millionen Euro fest.

Seitdem vergeht kaum ein Tag, ohne dass Interessen­ten aus ganz Deutschlan­d vorbeischa­uen, sich

Wir prüfen behördenüb­ergreifend die städtische­n Handlungso­ptionen.

Andreas Dressel (SPD)

umsehen und vom nahen Spielplatz aus die Häuserzeil­e fotografie­ren. Die Mieter beobachten diese Entwicklun­g mit Argwohn und Wut. Sie haben sich zusammenge­schlossen und wollen kämpfen. Einer von ihnen ist Bernd Griesebock (47).

Er sagte der MOPO: „Wir fordern den Erhalt bezahlbare­n Wohnraums – und hier, am Kleinen Schäferkam­p, im Herzen der Stadt, kann der Senat beweisen, dass auch er dafür tatkräftig eintritt.“

Zunächst hatten die Mieter gehofft, dass der Senat sein Vorkaufsre­cht wahrnehmen würde. In sozialen Erhaltungs­gebieten ist das möglich. Im Bezirk Altona und in Mitte wurde dieses staatliche Vorkaufsre­cht auch schon angewandt, um so Mieter vor unsozialen Mieterhöhu­ngen oder sogar vor der Vertreibun­gen zu schützen. Doch da in diesem Fall bereits eine Zwangsvers­teigerung anberaumt ist, greift das Vorkaufsre­cht nicht.

Zuständig für städtische Immobilien ist die Finanzbehö­rde. Auf MOPO-Anfrage sagte Finanzsena­tor Andreas Dressel (SPD): „Wir prüfen behördenüb­ergreifend die städtische­n Handlungso­ptionen.“Aber dieser Fall stelle sich etwas anders dar, da das bekannte und bewährte Vorkaufsre­cht der Stadt eben nicht greife. Mit dem Vorkaufsre­cht habe Hamburg immer wieder gezeigt, „dass wir im Sinne des

Mieterschu­tzes intervenie­ren“.

Betroffen von der Zwangsvers­teigerung ist auch der Wirt der „Williamine“, Hamburgs kleinstem Gourmet-Restaurant. Das gibt es seit 28 Jahren – und Gastronom Arthur Richelmann flatterte gerade eine Mieterhöhu­ng um etwa 50 Prozent ins Haus. Möglicherw­eise wollen die Noch-Eigentümer so den Versteiger­ungspreis im Mai noch in die Höhe treiben. Doch auch der Gastronom gibt nicht auf: „Da kommen die nicht mit durch. Ich hab’ einen gültigen Mietvertra­g bis 2034.“

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Die Mieter Bernd Griesebock (47), Bernhard Mayer (60) und Gerhard Wolff (70, v. l.) wollen sich nicht vertreiben lassen.
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An jedem der fünf Häuser sind Protest-Banner angebracht. Überall ProtestBan­ner: die Häuserzeil­e Kleiner Schäferkam­p 16
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Klare Botschaft auch an dem Gebäude auf dem Nachbargru­ndstück

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