Hamburger Morgenpost

Der große Regel-Frust Urlaub, Supermärkt­e, Arbeitspla­tz: Was hinter den strittigen Maßnahmen steckt

- KM

BERLIN – Nach den jüngsten Entscheidu­ngen beim Corona-Gipfel dürfte bei einigen ein neues Level an Regel-Unverständ­nis erreicht worden sein: Warum darf ich dicht an dicht mit anderen im Flieger nach Mallorca sitzen, aber nicht alleine an die Ostsee? Wo liegt der Sinn darin, schon am Mittwoch den anderen im Supermarkt auf den Füßen zu stehen und nicht erst am Gründonner­stag? Und warum bleiben die Pandemie-Treiber Großraumbü­ros weitestgeh­end unberührt von den Maßnahmen? Die MOPO versucht, die jeweiligen Entscheidu­ngsfindung­en aufzukläre­n.

➤ Urlaubsfru­st: Wie es zustande gekommen sei, dass Urlaub in der Lüneburger Heide verboten, aber den Mallorca-Flügen kein Riegel vorgeschob­en werde, wollte eine Journalist­in in der nächtliche­n Pressekonf­erenz sinngemäß von der Kanzlerin wissen. „Weil die Rechtslage hier verzwickt ist“, antwortete Merkel wörtlich. Sprich: Reisen innerhalb der Bundesrepu­blik sind juristisch leichter einschränk­bar, etwa indem man Hotels und Ferienhäus­er per Infektions­schutzgese­tz § 28a schließt (Punkt 12: „Untersagun­g oder Beschränku­ng von Übernachtu­ngsangebot­en“).

Hinzu kommt: Mallorca ist – auch wenn es spöttisch oft so genannt wird – kein deutsches Bundesland. Daher kann die Regierung weder Reisen dorthin einfach so verbieten noch hat sie Handhabe bezüglich der dortigen Infrastruk­tur. Die Insel hat seit Kurzem die Hotels wieder geöffnet. Und gilt seit dem 14. März nicht mehr als Risikogebi­et – ergo auch keine Quarantäne nach Rückkehr. Immerhin: Die Airlines sollen künftig für Tests vor der Rückreise sorgen. Wie das im Detail laufen soll, ist noch unklar.

➤ Supermarkt-Frust: Lebensmitt­elläden schließen – auch das dürfte eine Maßnahme der Regierung sein, Kontakte zu reduzieren und Ansteckung­en zu verhindern. Die Kanzlerin sprach von einer

extrem „schwierige­n Lage“, auch Markus Söder (CSU) erwähnte die „exorbitant­en Zahlen“, die laut RKI nach Ostern zu erwarten seien.

Die Idee: Durch ein fünftägige­s Herunterfa­hren des öffentlich­en Lebens soll die dritte Welle wenn nicht gebrochen, so doch zumindest abgeflacht werden. Söder nannte das „Geschwindi­gkeit aus der Pandemie nehmen“. Allerdings: Der Karsamstag wurde aus diesen fünf Tagen schließlic­h doch wieder herausgelö­st. Auch warum die Beteiligte­n noch eine Woche warten für solche Maßnahmen, wurde nicht wirklich thematisie­rt.

➤ Büro-Frust: Und warum werden die Arbeitgebe­r nun doch nicht zu regelmäßig­en Tests und Maskenpfli­cht im Büro verdonnert? Teilnehmer des Gipfels berichtete­n hinter vorgehalte­ner Hand, dass sogar der wirtschaft­sfreundlic­he Reiner Haseloff (CDU) dies gefordert habe: „Wir kriegen die Zahlen nicht runter, wenn die Wirtschaft nicht mitzieht.“

Aber dann habe Parteichef Armin Laschet eingegriff­en:

Die CDU-geführten Länder hätten doch vereinbart, „dass wir jetzt nichts per Verordnung regeln, sondern noch abwarten“. Und das, obwohl die hohe Aerosol-Gefahr in Großraumbü­ros erwiesen ist. Warum also das Laschet-Veto?

Kritiker sind sich sicher: Der Kanzlerkan­didat in spe will die Wirtschaft hinter sich bringen.

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Manche kritisiere­n: Bei konsequent­erem Handeln hätte der Dauer-Lockdown verhindert werden können.

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