Hamburger Morgenpost

„Die Beschlüsse sind lebensfrem­d“

CORONA-GIPFEL Opposition kritisiert, Wissenscha­ft lobt

- CHRISTIAN BURMEISTER christian.burmeister@mopo.de

Fast 15 Stunden geredet, gestritten und verhandelt: Die Ergebnisse des Marathon-Corona-Gipfels der 16 Länderchef­s mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stellen fast niemanden zufrieden, wie die Reaktionen am Tag danach zeigten. Lähmte ein Machtkampf das Gremium oder war es schlichte Hilflosigk­eit?

Gegen Ende der Sitzung fielen einigen Teilnehmer­n schon fast die Augen zu. Es war die Kanzlerin, die für einen Alle-wieder-wachMoment sorgte: Sämtliche Geschäfte, Supermärkt­e und Betriebe sollten vom 1. bis zum 5. April komplett geschlosse­n bleiben, schlug sie kurz vor Mitternach­t vor. Ausgeheckt hatte sie den Vorstoß mit Markus Söder (CSU), Olaf Scholz und Berlins Bürgermeis­ter Michael Müller (beide SPD).

Nach einigen Diskussion­en stimmte die Runde schließlic­h zu. Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) hatte zuvor noch die Öffnung der Supermärkt­e am Karsamstag durchgeset­zt: „Eine Schließung hat es bisher aus gutem Grund noch gar nicht gegeben“, argumentie­rte er. Dass es überhaupt zu einem härteren Lockdown kam, ist eine Überraschu­ng. Schließlic­h war im Vorfeld eher vom Gegenteil die Rede: Weil sich die Bundesbürg­er über Weihnachte­n vernünftig verhalten hätten, könne man nun auch über Ostern Zugeständn­isse machen, war der Tenor bei einigen. Doch die wieder steigenden Infektions­zahlen überzeugte­n dann wohl auch die letzten Zweifler in der Runde. Zumindest bis auf Weiteres.

Vor allem Manuela Schwesig (SPD, Meck-Pomm) und Daniel Günther (CDU, Schleswig-Holstein) hatten mit Blick auf die eigene Tourismusi­ndustrie für Lockerunge­n gekämpft. Sie wollten einen „kontaktarm­en Osterurlau­b“im Inland ermögliche­n. Vor dem Treffen hatte auch Söder mit der Möglichkei­t geliebäuge­lt. Ihm war es am Ende aber wohl wichtiger, fest im „Team Vernunft“zu stehen, wie er es nennt. Also auf Seiten der Öffnungs-Bremser.

Die Opposition ließ gestern kein gutes Haar an dem Gipfeltref­fen. „Die Beschlüsse atmen die vollständi­ge Abkopplung von der Lebensreal­ität vieler Familien“, kritisiert­e FDP-Chef Christian Lindner. Er nannte es „lebensfrem­d“, dass etwa geimpfte Großeltern über Ostern nicht ihre Kinder und Enkel besuchen dürften.

Linke und Grüne gaben der Bundesregi­erung die Schuld daran, dass es nun erneut zu Verschärfu­ngen kommt. „Der Oster-Lockdown ist wesentlich ein Weil-es-die-Bundesregi­erung-vergeigt-hat-Lockdown“, schrieb Linksfrakt­ionschef Dietmar Bartsch bei Twitter. Die Regierung habe das Land „in die Sackgasse geführt“, sagte Grünen-Fraktionsc­hefin Katrin GöringEcka­rdt. Die AfD sprach von „Willkür“und „Kopflosigk­eit“.

Lob gab es aus Teilen der Wissenscha­ft und Medizin. „Die Politik hat erkannt, dass wir in einer schwierige­n Phase der Pandemie sind und die Impferfolg­e nicht gefährden dürfen“, lobte beispielsw­eise der Intensivme­diziner Gernot Marx. Auch das Robert-Koch-Institut äußerte sich hoffnungsv­oll.

Ein Weil-es-dieBundesr­egierungve­rbockt-hatLockdow­n. Dietmar Bartsch (Linke)

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Angela Merkel hatte mit Markus Söder (u.) und Michael Müller (r.) den Oster-Lockdown in kleiner Runde vorbesproc­hen.
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