29 Mio. AstraImpfdosen entdeckt!
Wurden sie versteckt?
ROM/BRÜSSEL – AstraZeneca hat der EU immer wieder Hiobsbotschaften übermittelt: Leider könne man viel weniger CoronaImpfstoff liefern als gedacht. Dabei liegen Millionen Dosen auf Halde. Das ist alles ziemlich rätselhaft.
Der Hersteller AstraZeneca lagert in Italien 29 Millionen Dosen Corona-Impfstoff – und das, obwohl er mit seinen vertraglich zugesicherten Lieferungen an die EU-Länder massiv im Rückstand ist und Impfstoff in der EU überall fehlt. Dieser Bericht der italienischen Zeitung „La Stampa“klingt erst mal unwahrscheinlich, wurde aber gestern aus mehreren Quellen bestätigt. Werden die Dosen etwa versteckt?
Die britisch-schwedische Firma wies die Vorwürfe gestern zurück. Es handle sich um verschiedene Kontingente des Impfstoffs, die auf die Freigabe durch die Qualitätskontrolle warteten, erklärte eine Sprecherin. Davon seien 13 Millionen Dosen für arme Länder im Rahmen des Covax-Programms bestimmt. Weitere 16 Millionen sollten nach der Freigabe nach Europa gehen, ein großer Teil davon noch im März. Es sei daher „nicht korrekt, dies als einen Vorrat zu bezeichnen“, so die Sprecherin. Der Prozess der Herstellung, Lagerung und Kontrolle von Impfstoffen sei eben sehr komplex und zeitaufwendig.
Die laxen Ausreden brachten Kritiker des Herstellers, der nun zum x-ten Mal aus unterschiedlichen Gründen in den Schlagzeilen ist, gestern auf die Palme. „Das ist völlig inakzeptabel“, schrieb etwa der CSU-Europapolitiker Manfred Weber auf Twitter. Der CDU-Gesundheitsexperte Peter Liese erklärte, er sei „fassungslos“. Auch der Hamburger SPD-Politiker Hansjörg Schmidt nannte den Fund in Italien „unfassbar“: „Wenn das so stimmt, ist der Punkt erreicht, an dem man die Impfstoffproduktion von AstraZeneca komplett unter staatliche Kontrolle bringen sollte.“
Laut „La Stampa“wurden die 29 Millionen Dosen bei einer Kontrolle des italienischen Werks durch die EU-Kommission entdeckt. In der Zeitung hieß es, die Impfstoffe seien für den Export nach Großbritannien gedacht. Der britisch-schwedische Hersteller hat auch und vor allem umfassende Lieferpflichten dorthin, was seit Wochen für Spannungen zwischen Brüssel und London sorgt.
Dazu muss man wissen, dass AstraZeneca derzeit praktisch keine Chance hat, die Impfstoffe aus der EU herauszubringen. Denn bereits seit 1. Februar gelten Exportkontrollen. Herstellern, die EU-Verträge nicht erfüllen, kann die Ausfuhr untersagt werden.
AstraZeneca hatte der EU nach Brüsseler Angaben im ersten Quartal ursprünglich 120 Millionen Impfdosen zugesagt – und dies dann auf 30 Millionen gekürzt. „Aber sie sind Stand heute noch nicht einmal in der Nähe dieser Zahl“, sagte EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis gestern. Im zweiten Quartal stellt AstraZeneca nun offiziell 70 Millionen Dosen in Aussicht – statt der vereinbarten 180 Millionen. Aus deutschen Regierungskreisen hieß es gestern, man habe sich erst mal gefreut, „dass da 29 Millionen Dosen offensichtlich sind“.