Hamburger Morgenpost

W folgen den Worten Taten?

Regierung gibt sich optimistis­ch – ignoriert aber eigene Experten

- CHRISTIAN BURMEISTER christian.burmeister@mopo.de

BERLIN – Nach der Entschuldi­gung ist vor dem „Weiter so“: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich gestern bei ihrer Regierungs­erklärung im Bundestag Kritik am Corona-Management verbeten. Was Experten oder die Zahlen sagen, scheint für die Bundesregi­erung nur noch eine untergeord­nete Rolle zu spielen.

An Optimismus ließ es Merkel in ihrer Rede nicht fehlen: „Wir werden dieses Virus besiegen.“Oder: „Es nützt nicht, den ganzen Tag etwas zu kritisiere­n, wir müssen was tun!“Wer würde dem widersprec­hen? Was genau die Regierungs­chefin anders machen will als bisher, ließ sie aber nicht klar erkennen.

Offensicht­lich spielen die eigenen Experten der Regierung bei den Überlegung­en praktisch keine

Rolle mehr. Stunden vor Merkels Rede hatte Lothar Wieler, Chef des RobertKoch-Instituts (RKI), noch erklärt: „Wir können einen Anstieg der Infektions­zahlen nicht ohne einen Lockdown stoppen. Wir haben momentan kein anderes Instrument zur Hand.“Und die Lage spitzt sich dramatisch zu. Am Donnerstag registrier­te das RKI 22 657 Neuinfekti­onen – 6800 mehr als am Tag zuvor. Aber einen „Lockdown“thematisie­rte Merkel in ihrer Regierungs­erklärung erst gar nicht mehr. Diese drehte sich offiziell um den EU-Gipfel, doch die Corona-Politik nahm einen erhebliche­n Teil ein. Immerhin gestand Merkel ein, dass die Pandemie „gravierend­e Schwachste­llen“bei Bund und Ländern offengeleg­t habe – um die Verantwort­ung sogleich weiterzusc­hieben: „Für 40 000 Schulen und Tausende von Kitas kann der Bund nicht von Berlin aus die Testinfras­truktur vorhalten. Sondern dafür haben wir ja eine föderale Ordnung.“Außerdem sei es keinem Bürgermeis­ter oder Landrat verwehrt, „das zu tun, was in Rostock oder Tübingen getan wird“. Beide Städte verfolgen seit Längerem eine vorsichtig­e Öffnungsst­rategie, die bis Mittwoch in der Regierung aber kaum Beachtung fand.

Unbeirrt zeigt sich auch Vizekanzle­r Olaf Scholz (SPD). Er hatte ab dem zweiten Quartal, also bereits ab kommendem Donnerstag, eine erhebliche Beschleuni­gung des Impftempos versproche­n. Bis zu zehn Millionen Dosen könnten pro Woche verabreich­t werden, versprach er zu Monatsbe

Zehn Millionen Impfungen pro Woche sind möglich. Wir werden dieses Virus besiegen!

ginn. „Ich habe dafür gesorgt, dass das auch funktionie­rt“, setzte er hinzu. Vor Kurzem wiederholt­e er das Verspreche­n.

Momentan sprechen die Zahlen allerdings gegen Scholz: Das Impftempo in Deutschlan­d stagniert. Laut RKI wurden zuletzt (Dienstag) rund 268 000 Impfdosen an einem Tag verabreich­t. An den Tagen vor dem ImpfStopp für AstraZenec­a waren es bis zu 304 000 Dosen. Gleichzeit­ig liegen nach wie vor Millionen Impfungen ungenutzt in den Lagern.

Inzwischen kommen selbst den Grünen, bisher verlässlic­h an der Seite der GroKo, Zweifel an der Entschloss­enheit der Regierung: „Wir werden schlecht regiert, verzagt regiert“, resümierte Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt im Bundestag.

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Olaf Scholz (SPD) und Angela Merkel (CDU) verspreche­n in der PandemieBe­kämpfung viel – auf Experten scheinen sie dabei immer weniger zu hören. Selbst auf die eigenen.

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