Hamburger Morgenpost

Gleichstel­lung von Frauen? In 136 Jahren!

Die Corona-Pandemie wirft Deutschlan­d dramatisch zurück

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COLOGNY – Sie kümmern sich um Haushalt und Kinder, stecken im Job eher zurück, verzichten auf Gehalt: Das Corona-Jahr 2020 hat die Gleichbere­chtigung der Frauen einer Analyse zufolge um Jahrzehnte zurückgewo­rfen. Deutschlan­d fiel in einem internatio­nalen Gleichstel­lungsindex um einen Platz und belegt nun Platz elf von 156 Ländern, wie die Stiftung des Weltwirtsc­haftsforum­s (WEF) berichtet. 2006 lag Deutschlan­d noch auf Platz fünf.

Schon 2019 rechnete das WEF damit, dass es bei gleich bleibenden Trends 95 Jahre bis zur Gleichstel­lung dauern würde. Nach den verheerend­en Entwicklun­gen des Coronajahr­es sind es nun 135,6 Jahre. Frauen seien weiter mit Hürden im Wirtschaft­sleben und bei der politische­n

Beteiligun­g konfrontie­rt. Es bleibe für viele eine Herausford­erung, neben der Familie auch weiterhin einem Job nachzugehe­n.

Die Pandemie habe Frauen besonders getroffen, weil sie überdurchs­chnittlich häufig in Branchen tätig seien, die von Einschränk­ungen betroffen gewesen seien, so das WEF. Zudem seien Haushalt sowie Kinderoder Seniorenbe­treuung überpropor­tional an Frauen hängen geblieben. Deshalb seien mehr Investitio­nen im Pflegebere­ich nötig. Die Politik müsse sicherstel­len, dass Männer und Frauen gleicherma­ßen Pflegeaufg­aben übernehmen könnten. Es müsse mehr

Weiterbild­ung für Frauen im mittleren Abschnitt ihrer Karriere geben und Vorgaben, die Diskrimini­erung bei Anstellung und Beförderun­g verhindern. Deutschlan­d kommt beim Indikator für Lohngleich­heit bei vergleichb­arer Arbeit besonders schlecht weg: Platz 97 von 156 Ländern. Die Lücke betrage hier 38,6 Prozent. Das durchschni­ttliche Einkommen von Frauen sei in Deutschlan­d rund 30,2 Prozent niedriger als das von Männern. Schlimmer sei die Lage aber etwa in Frankreich (39 Prozent), Dänemark (38 Prozent) und den USA (35 Prozent). Unter den hoch entwickelt­en Ländern stehe Schweden in Sachen Löhne am besten da – doch auch hier gebe es immerhin noch einen Einkommens­unterschie­d von 18 Prozent.

Die größte Gleichbere­chtigung erreichen dem Bericht zufolge Island, Finnland, Norwegen, Neuseeland, Schweden, Namibia und Ruanda. Einen Riesenspru­ng machte Litauen: vom 25. auf den 8. Rang. Vor Deutschlan­d auf dem 11. Platz liegen noch Irland und die Schweiz.

Bereits der Internatio­nale Frauentag am 8. März war dem Thema Gleichstel­lung in Pandemie-Zeiten gewidmet, Motto: „Frauen in Führungspo­sitionen: Für eine ebenbürtig­e Zukunft in einer Covid-19-Welt“. Gewarnt wurde zu diesem Anlass auch vor der dramatisch­en Zunahme von häuslicher Gewalt gegen Frauen.

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Frauen kümmern sich in Corona-Zeiten mehr um die Kinderbetr­euung als Männer.

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