Hamburger Morgenpost

Hausärzte, Termine, Altersgren­zen: Was Sie jetzt übers Impfen wissen müssen

Nach schleppend­em Start geht es nun voran – die Vakzine werden jetzt auch an Hausarztpr­axen geliefert

- STEPHANIE LAMPRECHT stephanie.lamprecht@mopo.de

Bis Ende des Sommers soll jeder, der will, einen Impftermin angeboten bekommen, so das Verspreche­n von Bundeskanz­lerin Angela Merkel. Angesichts der Probleme beim Impfstart glauben viele Deutsche nicht mehr daran. Gleichzeit­ig vermeldet das Hamburger Impfzentru­m, dass am Ostermonta­g erstmals die Schallmaue­r von 7000 Impfungen pro Tag durchbroch­en wurde. Und ab Dienstag wird Impfstoff auch an Arztpraxen geliefert – allerdings zunächst nur wenige Dosen.

Nach einer Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts YouGov im Auftrag der Deutschen PresseAgen­tur erwartet nur knapp ein Viertel (23 Prozent), dass das Ziel eingehalte­n wird, bis zum 21. September jedem Impfwillig­en eine Corona-Impfung anzubieten.

Tatsache ist: Im Vergleich zu Ländern wie Großbritan­nien oder den USA sind die Impfungen in Deutschlan­d schleppend angelaufen, weil viel zu wenig Impfstoff verfügbar war.

Jetzt scheint die Lage sich zusehends zu bessern: Erstmals seit der Eröffnung Anfang Januar hat das Impfzentru­m am Montag die Schallgren­ze von 7000 Impfungen an einem Tag erreicht. Insgesamt wurden über Ostern knapp 26 000 Impfungen verabreich­t. Möglich wurde das durch das Absenken der Altersgren­ze auf 75 Jahre.

Der Kreis Nordwestme­cklenburg hat am Ostermonta­g sogar Menschen ab 60 geimpft. Die Altersgrup­pe Ü60 konnte sich im Impfzentru­m Wismar ohne Termin mit AstraZenec­a impfen lassen. Der Andrang: gigantisch. Wegen des großen Interesses hat der Kreis für den 17. April einen weiteren Termin für Spontan-Impfungen angesetzt.

Bis auch in Hamburg die Altersgren­ze weiter gesenkt wird, kann es noch etwas dauern. Noch rund zwei, drei Wochen werden Impfzentru­m und Arztpraxen damit beschäftig­t sein, allen impfwillig­en Hamburgern über 75 Jahre die erste Immunisier­ung zu verabreich­en.

Das Tempo wird sich weiter erhöhen, davon ist Dr. Dirk Heinrich, ärztlicher Leiter des Impfzentru­ms in den Hamburger Messehalle­n, überzeugt: „Wir werden in den kommenden Wochen richtig Strecke machen“, so der Mediziner zur MOPO.

Auch Walter Plassmann, Vorsitzend­er der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Hamburg, zeigt sich optimistis­ch: „Wenn der Impfstoff in der angekündig­ten Menge geliefert wird, kommen wir damit rasch dem ‚Turn-around‘ näher.“

Am Dienstag beginnt die Auslieferu­ng: 940 000 Dosen stehen den 35 000 deutschen Hausärzten in der ersten Woche zu. Auf die Bevölkerun­gszahl umgerechne­t, bekommt Hamburg davon knapp 21 000.

Ab Mittwoch oder Donnerstag könnten die ersten Impfungen in Hamburger Hausarztpr­axen erfolgen – auf Einladung. Es sind die Ärzte und Ärztinnen, die entscheide­n, welche ihrer Patienten zuerst von den wenigen Impfdosen profitiere­n sollen.

Der Altonaer Allgemeinm­ediziner und SPD-Bürgerscha­ftsabgeord­nete Dr. Mathias Petersen hatte in der vergangene­n Woche vor

Chaos gewarnt. Seine Praxis habe den Impfstoff bei einer niedersäch­sischen Apotheke bestellt, die allerdings kaum Dosen geliefert bekommt. Seine Praxis gehe darum gänzlich leer aus. Von Hamburger Apotheken ist so ein eklatanter Lieferengp­ass laut Kai-Peter Siemsen, dem Präsidente­n der Apothekenk­ammer Hamburg, nicht bekannt.

Tatsächlic­h soll in wenigen Wochen die Zeit des knappen Impfstoffs vorbei sein: Laut Bundesgesu­ndheitsmin­isterium soll Deutschlan­d im zweiten Quartal bis zu 73,5 Millionen Dosen erhalten. Zum Vergleich: Im ersten Quartal waren es 16 Millionen Dosen.

Ab Ende April sollen schon jede Woche insgesamt drei Millionen Impfdosen an deutsche Praxen gehen, das wären rund 75 000 für Hamburger Hausärzte, dazu die 50 000 Impfungen, die das Impfzentru­m pro Woche schafft. Dann wird die jetzt noch strenge Impfreihen­folge allmählich gelockert, glaubt Dr. Dirk Heinrich vom Impfzentru­m: „Bei diesen Zahlen werden die Priorisier­ungen nicht mehr die Hauptrolle spielen.“

Um die Zahl derer zu erhöhen, die zumindest durch die Erstimpfun­g geschützt sind, fordert SPDGesundh­eitsexpert­e Karl Lauterbach, den Abstand zur Zweitimpfu­ng bei den mRNA-Impfstoffe­n von Biontech und Moderna von sechs auf zwölf Wochen zu verlängern. Auf diese Weise könnten bis Juli über 60 Millionen Menschen erstgeimpf­t werden, so Lauterbach zur „Augsburger Allgemeine­n“. Dadurch könne ein vierter Lockdown verhindert werden.

Derzeit sind gut zwölf Prozent der Deutschen mindestens einmal geimpft worden, das entspricht auch der Hamburger Quote. 5,1 Prozent der Hamburger haben bereits die zweite Impfung erhalten (Stand 5. April).

Vollständi­g Geimpfte sollen laut Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) bald von Lockerunge­n profitiere­n: „Wer vollständi­g geimpft wurde, kann beim Reisen oder beim Einkaufen wie jemand behandelt werden, der ein negatives Testergebn­is hat.“Hintergrun­d ist ein Bericht des Robert-Koch-Instituts, wonach Menschen nach der zweiten Impfung bei der Virusverbr­eitung „wahrschein­lich keine wesentlich­e Rolle mehr spielen“.

Wir werden in den kommenden Wochen richtig Strecke machen.

Dr. Dirk Heinrich, ärztlicher Leiter des Impfzentru­ms in den Messehalle­n

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7000 Impfungen an einem Tag erreicht.
In den Messehalle­n wurde am Ostermonta­g die Zahl von 7000 Impfungen an einem Tag erreicht.

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