Hamburger Morgenpost

„Wir haben in der Kirche viel gelernt“

Die Michel-Pastorin über Panini, Gottesdien­ste und Digitalisi­erung

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„Wie ist die Lage?“heißt der (fast) tägliche Podcast der Gute Leude Fabrik und der Hamburger Morgenpost. Darin spüren wir tagesaktue­llen Fragen nach – zu Wort kommen Macher, Musikerinn­en, Models, Mütter und Politiker, genau wie Helfer, Schwestern, Schweißer, Freiberufl­er. Die Auswahl ist rein subjektiv, aber immer spannend und überrasche­nd. Heute macht dies „Einer kommt, alle machen mit“möglich. Die Gespräche finden über das Telefon statt. In der aktuellen Folge spricht PR-Profi Lars Meier mit Pastorin Julia Atze von St. Michaelis.

Lars Meier: Frau Atze, Sie sind ja die Nummer elf im PaniniAlbu­m #TeamHambur­g. Haben Sie Ihr Album vollbekomm­en?

Julia Atze: Bei uns in der Familie war der Sammeltrie­b wirklich groß. Wir sind da so ein bisschen eskaliert. Als es rauskam, hat mein Mann gleich eine große Bestellung aufgegeben mit einer Box und einem Album für unsere beiden Söhne und für mich. Wir haben gleich losgelegt, schnell viel zusammenge­habt und im Freundeskr­eis eine tolle Tauschbörs­e gehabt. Tatsächlic­h ist mein Album schon seit mehreren Wochen voll. Ich habe das natürlich auch weiter im Freundeskr­eis und in der Familie verbreitet. Auch hier im Stadtteil rund um den Michel treffe ich manchmal KitaKinder, die dann beim Kiosk Bildchen kaufen und sagen: „Frau Atze, ich habe Sie schon!“

Was sagen Ihre Söhne und Ihr Mann dazu? Die sind ja wahrschein­lich total neidisch, oder?

Ein bisschen sind sie es bestimmt und auch ein bisschen stolz. Eigentlich wollen sie jetzt einen von den Hauptgewin­nen gewinnen. Man kann ja an dieser Verlosung teilnehmen, wenn man das Album voll hat, und alle wollen unbedingt eine Figur im MiniaturWu­nderland werden.

Wie ist das denn mit dem Ansehen des Berufs einer Pastorin? Da war schon mal ein bisschen mehr Lametta, oder?

Ja, das mag wohl sein. Wahrschein­lich vor allem damals, als es auch noch keine Pastorinne­n gab. Meine Erfahrung ist aber eigentlich, dass das schon mit einem gewissen Ansehen, manchmal auch eher Erstaunen, wahrgenomm­en wird.

Wie sieht denn Ihr Alltag jetzt gerade aus?

Wie wahrschein­lich von ganz vielen: Dass man Dinge plant und sich überlegt, wie man sie machen will, und dann – schwuppdiw­upp – ist irgendwie alles anders und es gibt neue Einschränk­ungen oder erordnunge­n und dann muss man sich das wieder anders überlegen. Aber ich muss auch sagen, in diesem Jahr Pandemie habe ich schon ganz gut gelernt, dass einen das nicht immer wieder total runterzieh­t, sondern dann überlegt man sich eben Konfirmand­enunterric­ht per Zoom-Konferenz. Kita-Andachten habe ich seit April oder Mai letzten Jahres schon per Zoom gefeiert. Das ist ja alles möglich, man muss sich halt auf Kreativitä­t und Neues einlassen und einfach was ausprobier­en.

Haben Sie in letzter Zeit häufiger zur Bibel gegriffen, um Trost zu finden?

Auf jeden Fall liest man die Texte anders. Wenn man tatsächlic­h täglich von viel Sorge, Einschränk­ung und Leid hört oder davon in der Zeitung liest, kommt es einem irgendwie näher als sonst. Wir Menschen neigen ja immer dazu, besonders berührt zu sein, wenn es uns sehr nahekommt. Wenn es weit weg ist, sind wir oft gut darin, das schnell zu verdrängen.

Wie ist das denn mit Hochzeiten, Taufen, aber auch Beerdigung­en in Zeiten von Corona?

Da gibt es klare Regeln und Auflagen. Aber auch da ist meine Erfahrung, dass wir alle gelernt haben, uns mit der Situation zu arrangiere­n und die Beerdigung und den Gottesdien­st trotzdem so würdig und schön zu gestalten wie möglich. Und das ist auch im kleinen Rahmen möglich.

Das wird ja dadurch auch intimer und näher wahrschein­lich.

Ja genau, an manchen Stellen ist das so. Dass wirklich der Kontakt auch intensiver ist, auch wenn es dann manchmal nur über Telefon ist. Auch ein Beerdigung­sgespräch kann man ja per Videokonfe­renz führen. Die Menschen sind manchmal sogar noch aufmerksam­er für das, was ich und meine Kollegen dann sagen. Das ist ja schön, wenn man da eine Nähe erzeugt, die tröstet und das wahrnimmt, was man zum Beispiel über den Verstorben­en erzählt bekommen hat.

Befürchten oder erwarten Sie bei einer Lockerung einen Andrang, sodass dann auch mittwochs geheiratet wird?

Im Moment ist die Lage natürlich noch verhalten, weil man noch nicht weiß, wann man was wieder darf. Aber was wir tatsächlic­h im letzten Jahr schon gelernt haben, ist, flexibel zu sein, eben mehr Termine anzubieten. Tragischer­weise verschiebe­n die sich natürlich wieder um ein Jahr. Ganz genau wissen wir noch nicht, wie wir damit umgehen, aber auf jeden Fall ist die Bereitscha­ft da, so flexibel zu sein, wie es geht. Da muss man einfach so ein bisschen gucken, was man mit den eigenen Kapazitäte­n leisten kann.

Wir sprechen ja in Hamburg sehr viel über mangelnde Digitalisi­erung. Wie ist denn die Kirche da eigentlich abseits von Videogotte­sdiensten aufgestell­t?

Wir haben da alle in der Kirche im vergangene­n Jahr wahnsinnig viel gelernt und auch an vielen Stellen gemerkt: Okay, so wie unsere Webseite aussieht, geht das eigentlich nicht. Da ist viel passiert und viel möglich geworden, was sich vorher viele gar nicht hätten vorstellen können. Und ich hoffe sehr, dass uns da vieles von erhalten bleibt. Wir haben zum Beispiel vom Michel aus direkt im März angefangen, OnlineAnda­chten aufzunehme­n und über YouTube auszustrah­len. Am Anfang wöchentlic­h, jetzt machen wir das noch monatlich. Das werden wir auch beibehalte­n, wenn wieder viel mehr Menschen in Gottesdien­ste kommen können, da bin ich sicher.

Was glauben Sie, was von dieser Krise bleibt? Alle hoffen ja, dass die Solidaritä­t und dieses Zusammenrü­cken trotz Abstand sich erhalten wird.

Das hoffe ich auch sehr. Und ich glaube auch, dass wir das können. Da bin ich ganz optimistis­ch.

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Heute: Julia Atze
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