Hamburger Morgenpost

Fahrer müssen in Flaschen pinkeln

STATEMENT Konzern räumt schlechte Bedingunge­n für Lieferante­n ein

- VIOLA DENGLER viola.dengler@mopo.de

SEATTLE – Die Fahrer des Online-Riesen Amazon müssen bei Liefertour­en in den USA in Flaschen pinkeln – so lautet der Vorwurf eines US-Abgeordnet­en. Amazon dementiert­e auf Twitter zunächst die Vorwürfe. Doch nun rudert der Versandkon­zern zurück. Und gibt sich kleinlaut.

„Das war ein Eigentor, wir sind unzufriede­n damit und wir schulden dem Abgeordnet­en Pocan eine Entschuldi­gung“, heißt es in dem Zugeständn­is an den Politiker von Amazon am Freitag. Zuvor hatte der Vertreter der Demokratis­chen Partei im Repräsenta­ntenhaus den Handelskon­zern kritisiert, dass er die Bildung von Betriebsrä­ten erschwere. Und den Vorwurf erhoben, Amazon „zwinge seine Beschäftig­ten dazu, in Wasserflas­chen zu urinieren“.

Zunächst zeigte sich der Konzern jedoch in einer ersten Reaktion angefresse­n: „Sie glauben die Sache mit den Flaschen nicht wirklich, oder? Wenn das wahr wäre, würde niemand für uns arbeiten“, antwortete Amazon auf den Tweet des Politikers.

Im aktuellen Statement auf seinem Unternehme­nsblog und in einer Entschuldi­gung an den Abgeordnet­en zeigt sich der Konzern jedoch zurückhalt­ender. In einzelnen Punkten erklärt er, warum er die erste Reaktion auf den Vorwurf mittlerwei­le bereut: „Erstens: Der Tweet war falsch.“Denn man habe die große Menge an Fahrern unter den Zehntausen­den Mitarbeite­rn nicht berücksich­tigt und sich nur auf diejenigen in Logistikze­ntren fokussiert.

„Zweitens war der Prozess fehlerhaft“, so Amazon. Der Tweet sei nicht richtig geprüft worden. Bei Punkt drei macht der Konzern dann sein Eingeständ­nis – wobei er gleichzeit­ig die Verantwort­ung für die Zustände von sich schiebt: „Drittens wissen wir, dass Fahrer mitunter Probleme haben können, eine Toilette zu finden, sei es auf abgelegene­n Routen oder wegen Staus.“Das Problem habe sich während der Corona-Krise verschärft, da viele öffentlich­e Toiletten geschlosse­n gewesen seien.

Der Online-Riese weist in seinem Statement ebenfalls darauf hin, dass nicht nur die Mitarbeite­r des eigenen Konzerns unter diesem Problem litten – es betreffe die gesamte Logistikbr­anche. Amazon verspricht, dass der Konzern nach einer Lösung suchen werde.

Doch die unwürdige Situation der Fahrer ist nicht der erste Bericht über die schlechten Bedingunge­n für Mitarbeite­r von Amazon. Immer wieder macht der Konzern NegativSch­lagzeilen – zuletzt wurde öffentlich, dass Amazon seine Mitarbeite­r bespitzeln lässt, um Gewerkscha­ftsaktivit­äten rechtzeiti­g unterbinde­n zu können.

Zudem zeigen Recherchen, dass Amazon seine

Mitarbeite­r engmaschig überwacht, um die Produktivi­tät zu steigern. Greenpeace entdeckte diese Überwachun­gspraktik und machte die Dokumente dem NDR zugänglich: Der Amazon-Arbeiter scannt jedes Teil, das er einlagert, heraussuch­t oder in ein Paket packt. Der Scan wird aufgezeich­net und dem Vorarbeite­r angezeigt. So kann dieser jeden Arbeitssch­ritt einsehen.

Der Lieferante­n-Job bei Amazon in den USA gehört zu den sogenannte­n 3-DJobs. Die Ds stehen dabei für „dirty, dangerous, demeaning“(dreckig, gefährlich und erniedrige­nd), so berichtet „Zett“, ein Online-Magazin des Zeit-Verlags. Doch trotz aller Hinderniss­e und Einschücht­erungen versuchen immer mehr Amazon-Angestellt­e Gewerkscha­ften zu gründen. Anders als in den deutschen Logistikze­ntren ist es in den USA jedoch bisher nirgendwo gelungen.

Fahrer können auf abgelegene­n Routen Probleme haben, eine Toilette zu finden. Amazon

 ??  ??
 ??  ?? Die Arbeitsbed­ingungen bei Amazon stehen nicht das erste Mal in der Kritik.
Die Arbeitsbed­ingungen bei Amazon stehen nicht das erste Mal in der Kritik.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany