Fahrer müssen in Flaschen pinkeln
STATEMENT Konzern räumt schlechte Bedingungen für Lieferanten ein
SEATTLE – Die Fahrer des Online-Riesen Amazon müssen bei Liefertouren in den USA in Flaschen pinkeln – so lautet der Vorwurf eines US-Abgeordneten. Amazon dementierte auf Twitter zunächst die Vorwürfe. Doch nun rudert der Versandkonzern zurück. Und gibt sich kleinlaut.
„Das war ein Eigentor, wir sind unzufrieden damit und wir schulden dem Abgeordneten Pocan eine Entschuldigung“, heißt es in dem Zugeständnis an den Politiker von Amazon am Freitag. Zuvor hatte der Vertreter der Demokratischen Partei im Repräsentantenhaus den Handelskonzern kritisiert, dass er die Bildung von Betriebsräten erschwere. Und den Vorwurf erhoben, Amazon „zwinge seine Beschäftigten dazu, in Wasserflaschen zu urinieren“.
Zunächst zeigte sich der Konzern jedoch in einer ersten Reaktion angefressen: „Sie glauben die Sache mit den Flaschen nicht wirklich, oder? Wenn das wahr wäre, würde niemand für uns arbeiten“, antwortete Amazon auf den Tweet des Politikers.
Im aktuellen Statement auf seinem Unternehmensblog und in einer Entschuldigung an den Abgeordneten zeigt sich der Konzern jedoch zurückhaltender. In einzelnen Punkten erklärt er, warum er die erste Reaktion auf den Vorwurf mittlerweile bereut: „Erstens: Der Tweet war falsch.“Denn man habe die große Menge an Fahrern unter den Zehntausenden Mitarbeitern nicht berücksichtigt und sich nur auf diejenigen in Logistikzentren fokussiert.
„Zweitens war der Prozess fehlerhaft“, so Amazon. Der Tweet sei nicht richtig geprüft worden. Bei Punkt drei macht der Konzern dann sein Eingeständnis – wobei er gleichzeitig die Verantwortung für die Zustände von sich schiebt: „Drittens wissen wir, dass Fahrer mitunter Probleme haben können, eine Toilette zu finden, sei es auf abgelegenen Routen oder wegen Staus.“Das Problem habe sich während der Corona-Krise verschärft, da viele öffentliche Toiletten geschlossen gewesen seien.
Der Online-Riese weist in seinem Statement ebenfalls darauf hin, dass nicht nur die Mitarbeiter des eigenen Konzerns unter diesem Problem litten – es betreffe die gesamte Logistikbranche. Amazon verspricht, dass der Konzern nach einer Lösung suchen werde.
Doch die unwürdige Situation der Fahrer ist nicht der erste Bericht über die schlechten Bedingungen für Mitarbeiter von Amazon. Immer wieder macht der Konzern NegativSchlagzeilen – zuletzt wurde öffentlich, dass Amazon seine Mitarbeiter bespitzeln lässt, um Gewerkschaftsaktivitäten rechtzeitig unterbinden zu können.
Zudem zeigen Recherchen, dass Amazon seine
Mitarbeiter engmaschig überwacht, um die Produktivität zu steigern. Greenpeace entdeckte diese Überwachungspraktik und machte die Dokumente dem NDR zugänglich: Der Amazon-Arbeiter scannt jedes Teil, das er einlagert, heraussucht oder in ein Paket packt. Der Scan wird aufgezeichnet und dem Vorarbeiter angezeigt. So kann dieser jeden Arbeitsschritt einsehen.
Der Lieferanten-Job bei Amazon in den USA gehört zu den sogenannten 3-DJobs. Die Ds stehen dabei für „dirty, dangerous, demeaning“(dreckig, gefährlich und erniedrigend), so berichtet „Zett“, ein Online-Magazin des Zeit-Verlags. Doch trotz aller Hindernisse und Einschüchterungen versuchen immer mehr Amazon-Angestellte Gewerkschaften zu gründen. Anders als in den deutschen Logistikzentren ist es in den USA jedoch bisher nirgendwo gelungen.
Fahrer können auf abgelegenen Routen Probleme haben, eine Toilette zu finden. Amazon